Verbale Katastrophen

Tragödien im Kopf: Die britsche Live-Art-Gruppe Forced Entertainment gastiert mit zwei Performances auf Kampnagel  ■ Von Karin Liebe

„Act one begins with five great atomic explosions.“ Das erzählt uns ein Mann im entspannten Plauderton. Im Laufe des Abends wird er noch mehr reden und reden und reden über das kollektive Grauen in der Welt. Über Massenkarambolagen auf der Autobahn, Schiffsuntergänge, Zugunglücke – bis hin zu kleinen persönlichen Tragödien wie den fatalen Folgen eines falsch zugestellten Briefes.

Wenn Realität zum Theater wird, was passiert dann mit dem Theater? Bei Forced Entertainment lautet die Antwort: Die Katastrophe findet auf der Bühne rein verbal statt. Dirty Work, die neueste Performance der 1984 in Sheffield gegründeten Live-Art-Gruppe, verlangt vom Zuschauer ein hohes Maß an Einbildungskraft – und zumindest rudimentäre Englischkenntnisse. Während zwei Schauspieler bequem auf Stühlen sitzen und von all dem Unglück der Welt erzählen, muss sich das Publikum schon selbst die passenden Bilder aus dem Mediensalat im Kopf dazuimaginieren.

„Abwesendes Theater“ nennen Forced Entertainment ihre Kunst der Auslassung, mit der sie 16 Jahre nach Ensemble-Gründung immer noch als eine der innovativsten Theatergruppen Großbritanniens gelten. Den Begriff „Live Art“ haben sie maßgeblich geprägt. Ihre Acts bewegen sich zwischen Performance, Installation und Multimedia und kommen ohne Handlung, dramatische Höhepunkte und festgelegte Rollen aus. Dass so etwas weder spröde noch dröge sein muss, hat die Truppe bereits 1997 in ihrer hoch gelobten Performance Speak Bitterness schon einmal auf Kampnagel bewiesen. Sieben Schauspieler bekannten in einer Art kollektiven Beichte ihre kleinen und großen Sünden. Das Publikum erfuhr, dass sie den Hund in die Mikrowelle gesteckt haben, Gedichte schreiben und nie wissen, wann sie aufhören sollen – scheinbar banale persönliche Bekenntnisse, die sich nach und nach zu einer bitter-ironischen Bestandsaufnahme menschlicher Verfehlungen addierten.

Einen ähnlichen Marathon der Statements inszenieren Forced Entertainment mit in einer zweiten Performance im Kampnagel-Klub N+K. Bei Quizoola! werfen sich drei Akteure im Clownskostüm, angestrahlt vom kalten Licht nackter Glühbirnen, über 2000 Fragen an den Kopf. Die Spanne reicht vom Quiz bis zum brutalen Verhör. Sechs Stunden dauert das Frage-und-Antwort-Spiel zwischen harmloser Unterhaltungsshow und knallhartem Psychothriller. Den Zuschauern bleibt immerhin die Freiheit, jederzeit zu kommen und zu gehen.

Dirty Work: Do, 24., bis Sa, 26. Februar, 20 Uhr, k2; Quizoola: Sa, 26. Februar, Klub N+K, 18 bis 24 Uhr