Kommentar
: Lockerer Zwang

■ Warum belegte Brötchen symptomatisch für ein System aus Druck und Kontrolle sind

In der Prüfungssituation für Referendare herrscht ein krasses Machtgefälle: Die Prüfer entscheiden mit ihrer Note über die beruflichen Chancen – und damit das zukünftige Leben – des Referendars. Daran ändert auch eine „kollegiale Athmosphäre“ nichts – im Gegenteil: Die Brötchendiskussion zeigt, dass der Zwang zur Lockerheit Prüflinge an den Rand der Demütigung bringen kann.

Sozialpsychologisch betrachtet ist die Situation paradox: Das Individuum muss der Quelle seiner Bedrohung – den Prüfern – begegnen, als ob diese seine Freunde wären. Oder einfacher: Es muss gute Miene zum bösen Spiel machen. Dass es erst eines anonymen Briefes bedarf, damit die Seminarleiter das merken, spricht nicht gerade für deren Einfühlungsvermögen in ihre Auszubildenden. Gleiches gilt für die Schulleitungen, die ihre Referendare mit dem Problem allein lassen.

Die Frage ist aber auch: Warum machen das so viele ReferendarInnen mit? Wo ist eigentlich das Rückgrat der angehenden LehrerInnen, die selbiges professionell Kindern vermitteln sollen? Im Uni-Studium steht es offenbar nicht auf dem Lehrplan, sonst wäre der aktuelle Brief nicht anonym und schon viel früher geschrieben worden. Oder es würden schlicht keine Brötchen mehr geschmiert.

Sicher, in der Referendars-Ausbildung läuft so viel schief, dass ein paar Brötchen nicht das Hauptproblem darstellen. Aber sie sind ein Symptom für ein System aus Druck und Kontrolle. Gute, junge LehrerInnen gibts nicht wegen, sondern trotz dieser Ausbildung.

Heike Dierbach