Den Prüfern eine schmieren

Anonyme Anzeige: Hamburgs ReferendarInnen wollen bei der Lehrprobe an Schulen nicht mehr mit Schnittchen gut Wetter machen  ■ Von Heike Dierbach

Fressen macht friedlich. Das gilt offenbar nicht nur im Tierreich, sondern auch unter AkademikerInnen: Bei den Lehrproben für ReferendarInnen in Schulen ist es üblich, dass die Prüflinge bei der anschließenden Besprechung ihre Prüfer mit belegten Brötchen bewirten. Das behauptet zumindest ein anonymer Brief, der am 17. Januar beim Polizeidezernat Interne Ermittlungen (DIE) eingegangen ist. Mehrere ReferendarInnen bestätigten der taz, „dass das erwartet wird“. Das DIE ermittelt.

Zwei Lehrproben müssen ReferendarInnen ablegen. Dazu begutachten fünf PrüferInnen eine Stunde lang den Unterricht, darunter ein Vertreter der Behörde und die Seminarleiter des staatlichen Studienseminars, das die angehenden LehrerInnen ausbildet. Dort zeigt man sich bestürzt über die Vorwürfe: „Uns war davon nichts bekannt“, sagt Alfred Ruppel, Vertreter der Direktorin. Seiner Erfahrung nach kümmerten sich die Schulleitungen bei den Lehrproben um Kaffee, Kekse „und vielleicht auch mal ein halbes Brötchen“. Man werde den Vorwürfen nun „intensiv nachgehen“ und die Praxis gegebenenfalls „sofort“ abstellen: „So ein Umgang mit Abhängigen geht nicht.“

Unter den ReferendarInnen hingegen „kennen alle das ungeschriebene Gesetz“, berichtet Corinna F.*. Direkten Druck habe sie nicht bekommen, aber „man tut das halt, um gut Wetter zu machen.“ Denn die Noten der Lehrproben bestimmen 25 Prozent der Gesamtnote, mit der die JunglehrerInnen später um die Stellen konkurrieren.

Nadja M.*, die vor zwei Jahren erfolreich ihre Lehrproben ablegte, fand es „entwürdigend, meinen Henkern auch noch ein Brot zu schmieren“ – sie und eine Kollegin halfen sich deshalb gegenseitig. „Aber das ist natürlich auch ein fauler Kompromiss“, sagt die 31-Jährige heute: „Warum machen das so viele Referendare kritiklos mit?“.

Nicht alle beugen sich der Konvention. Bei Andreas B.* gab es bewusst weder Schnittchen noch belegte Brötchen, nur Kaffee und Kekse, und die hatte die Schulsekretärin besorgt. Der 35-Jährige ist sich sicher, dass die Seminarleiter wissen, wer sonst die Brötchen schmiert. Und ein Mitarbeiter des Studienseminars bestätigt: „Es gibt hier einige, denen ich zutraue, dass sie das von den Referendaren verlangen.“

An der Schule für Blinde und Sehbehinderte im Borgweg 17a lässt man die ReferendarInnen gar nicht erst in Versuchung kommen. „Mich hat es früher bei den Lehrproben selbst genervt, fürs Essen sorgen zu müssen“, berichtet Schulleiterin Evelin de Lorent. Sie übergibt die Bewirtung deshalb dem Bistro der Berufsvorbereitungsklasse. Auch in anderen Schulen organisiert die Schulleitung die Verpflegung.

Die Schulbehörde weiss nach Auskunft ihrer Sprecherin Viola Griehl noch nichts von den Vorwürfen. Unterdessen beschlossen gestern die Sprecher der ReferendarInnen, eine einheitliche Regelung zu fordern, nach der es bei Lehrproben nur noch Kaffee und Kekse gibt. (*Namen geändert)