Fast wie Wettrüsten

■ Die Computer-Freaks bei datima2 schlagen aus ihrer verschwiegenen Vergangenheit Kapital: Die Firma bietet Sicherheitslösungen für Computer-Netzwerke an

Das Label „Computer-Hacker“ wollen sie sich nicht anheften lassen. „Das ist ein negativ besetzter Begriff“, findet Markus Nolte, einer von vier Gründungsmitgliedern der Firma datima2. Das ist merkwürdig, bedient doch mindestens die Hälfte der Belegschaft zumindest optisch das vorurteilsgeprägte Bild des tüftelnden Computerprofis: Rote Augen, mittelgroßes Bärtchen und die spezielle Ausstrahlung zwischen Valium-basierter Gelassenheit und nervösem Tänzeln. Doch auch Daniel Varga ergänzt: „Wir sind kein Verein von Hackern. Unsere Kunden verlangen Seriosität.“ Seriosität, um eben jene in Schach zu halten: Hacker.

datima2 macht in Computer-Sicherheit. Immer mehr Firmen kommen auf die Idee, sich vor unliebsamen Gästen zu schützen, die per Internet durch die ISDN-Leitung kommen, um Betriebsinterna auszuspionieren oder Sabotagebomben zu zünden. Computer-Angriffe, wie sie letzte Woche Yahoo und andere große Internet-Dienstleister trafen, sind dabei gute Werbung für die Anti-Hacker. „Jeder Hans und Franz kann heute solche Angriffe starten“, argumentiert Nolte wie ein Versicherungsvertreter. Einen todsicheren Schutz gibt es nicht. Jedes Programm habe seine Lücken. Aber man kann es den Einbrechern oder Saboteuren schwerer machen.

Vor knapp zwei Jahren kam bei den Firmengründern Daniel Varga, Timo A. Schmidt, Markus Nolte und Markus Hartmann die Idee auf, sich selbständig zu machen. Doch erst im letzten Oktober bezog datima2 mit mehreren freien Mitarbeitern eine Etage im alten Sozialamt in der Langenstraße 35: In der PVC-lastigen Patina des Siebziger Jahre-Gebäudes ist inzwischen ein veritables Multimedia-Zentrum entstanden. Eine e-commerce Firma aus dem Musikbereich ist hier ebenso angesiedelt wie Web- und Produktdesigner. „Die Mischung im Haus passt wie die Faust aufs Auge“, sagt Nolte. Die Sicherheitsexperten fühlen sich wohl in dem Ambiente.

Wichtigstes Stichwort für die Netzwerkspezialisten: „Firewalls“. Mit verschiedensten Kniffen und Programmen wird eine virtuelle Brandmauer um einen schützenswerten Bereich gelegt. Wer da durch will, muss kriminelle Energie mitbringen. Doch immer neue findige Programme machen aktualisierte Gegenprogramme nötig. Das hat etwas von Wettrüsten. Dabei nicht den Kürzeren zu ziehen, lassen sich viele Firmen inzwischen eine Stange Geld kosten.

Über seine Kunden redet datima2 nicht. Keine ellenlangen Kundenlisten, wie bei Web-Designern oder Werbeagenturen. „In unserem Bereich redet man nicht über Kunden“, sagt Varga. Und Nolte erklärt: Wenn die Hacker wüssten, von wem eine Firma sicherheits-betreut wird, würden sie zuerst nach Schwachstellen bei den Betreuern suchen. Was datima2 nicht kann, können sie schwerlich bei den Kunden einbauen. Also: Diskretion.

Wenn eine Firma um die Dienste von datima2 ersucht, läuft das oft so: Ein Notebook wird in das Firmennetz gehängt. Mit „packet-sniffern“ wird der interne Netzwerk-Verkehr abgehorcht und nach Lücken gesucht. „Wenn wir danach den Firmenmitarbeitern zu Demonstrationszwecken ihr persönliches Passwort präsentieren, sind die oft ganz schön verdutzt“, erzählt Nolte. Gleichzeitig wird mit „port-scannern“ von außen nach Schwachstellen gesucht – genauso, wie es auch Hacker tun würden. Und dann werden die Firewalls aufgebaut.

Absolute Sicherheit kann datima2 nicht versprechen. „Das wichtigste an Firewalls ist nicht, Einbrüche zu verhindern, sondern einen Einbruchsversuch so schnell wie möglich zu erkennen“, sagt Nolte. Wöchentlich zwei bis drei „port-scanns“ registrieren die Feuermaurer bei ihren derzeit rund 30 Kunden: Dann sucht jemand nach Sicherheitslücken in der Schale des Computersystems. Mal spaßeshalber, mal gezielt. Ernst wird es in der Regel erst dann, wenn jemand mit genügend Know-how in eine der Sicherheitslücken auch einzudringen versucht. Dann kann theoretisch das Handy von Nolte nachts um drei Uhr klingeln. Von seinem Heimrechner aus müsste er dann sofort reagieren, um den Angriff abzuwehren. Das klingt kriegerisch. Ist aber bislang noch nicht vorgekommen.

Wenn sich eine Firma an datima2 wendet, dann meist nicht allein für ihre Netzwerk-Sicherheit. Schon beim Aufbau von Computer-Netzen bietet die Firma ihre Dienste an. Wenn irgendwo Linux-, Unix-, Novel- oder Windows-basierte Computer eingerichtet werden müssen, dann macht das datima2. Je nach Gusto werden Sicherheitsprogramme installiert. Das Wichtigste: Von dem Bürogebäude in der Langenstraße aus werden die Netzwerke kontinuierlich überwacht und gepflegt. Bei einem Hack-Versuch leuchten rote Lämpchen.

Wie man auf die Geschäftsidee kommt, professionell Hackern die Stirn zu bieten, lassen die datimesen-hoch-zwei ebenso im Dunkeln wie die Kunden-Namen. Über ihre Vergangenheit reden sie nur in Ansätzen. „Man bringt schon so seine Erfahrungen mit“, sagt Timo A. Schmidt asketisch. Ein anderer deutet „verjährte“ Jugendsünden an. Mehr ist nicht zu erfahren. Um aktuell informiert zu sein, welche neuen Viren auf dem Markt sind, wird das Internet genutzt. Auch die Gegenprogramme werden über das Netz besorgt. „In Hacker-Kreisen müssen wir uns also nicht bewegen“, sagt Nolte. Im Lagerraum hängt ein schwarzes Sakko für die Kundenkontakte.

Christoph Dowe