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: Gute Zeiten, leerer Kopf

Großes, weites „Mai 3D“-Land: Eine Lesung im Shin-Shin-Club

Der Shin-Shin-Club in der Auguststraße in Mitte gehört nicht gerade zu den Clubs, um die in der Stadt viel Aufhebens gemacht wird. Es heißt, die Betreiber würden gern im Verborgenen arbeiten und hätten kein Interesse an Remmidemmi um ihre Location in dem ehemaligen DDR-Jugendhotel – was einen Club ja eigentlich erst richtig interessant macht. Doch es heißt auch, der Shin-Shin-Club hätte es nie richtig „geschafft“, er sei eben nicht mehr als eines der vielen semihippen Etablissements, die in Mitte Touristen und BWL-Studenten anlocken.

Am Dienstagabend aber hat der Türsteher des Clubs Schwerstarbeit zu leisten. Alexa Hennig von Lange, Till Müller-Klug und Daniel Haaksman lesen aus ihrem Tagebuchroman „Mai-3D“, und irgendwie ist bei den Planungen was schief gelaufen. Eigentlich gedacht als Release-Party nur für geladene Gäste, wurde die Lesung auch in Tageszeitungen und Stadtmagazinen angekündigt. Und so muss der Türsteher nicht nur die Einladungen kontrollieren, sondern auch die Leute, die nicht geladen sind, abwimmeln, auf später vertrösten oder von ihnen zwanzig Mark kassieren: Da haben auch die beiden jungen Mädchen mit ihren adretten Pferdeschwänzen keine Chance, die behaupten, sie würden eine Seminararbeit über „Mai 3D“ schreiben und müssten deswegen unbedingt eingelassen werden. Das mag wahr sein oder eine Notlüge, ungewöhnlich ist es allemal, denn nichts scheint weiter voneinander entfernt zu sein als „Mai 3D“ und die Uni. Als „Pop-Soap“ bezeichnet der Verlag dieses Buch ziemlich treffend. Drei Berliner Medienarbeiter erzählen hier, was sie einen Monat lang alles machen, denken und nicht machen.

Besonders aufregend und spektakulär ist das nicht: Cola trinken, Drogen nehmen, auf Partys gehen, Platten auflegen, hier eine Liebelei, dort eine. Ganz nah dran am Leben, ganz eins zu eins, und man fragt sich, warum die Autoren sich überhaupt die Mühe gemacht haben, Figuren wie Kai, Marc und David zu erfinden. Wer sich aber gern mit „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ den Kopf leer guckt, ist mit „Mai 3D“ bestens bedient: Das Buch liest sich in anderthalb Stunden sprichwörtlich weg und macht weder glücklich noch unglücklich. Und spielt hier das Leben in und mit Clubs eine nicht kleine Rolle, erfüllt das Buch an diesem Abend auch seinen wichtigsten Zweck: Es rockt und läutet zu Partytime und Wichtig-wichtig-Time. Alles andere ist Nebensache.

Während also Müller-Klug, Hennig von Lange und Haaksman im Shin-Shin abwechselnd ihre Geschichtchen vorlesen, plaudert ihr Publikum ungezwungen über neue Partys, den sehnlichst erwarteten Frühling und die nächsten Ferien. Immerhin ereifert sich hin und wieder jemand über die Belanglosigkeit des Buches oder das Ego-Tripping der drei Vorlesenden. Andere ärgern sich, nicht bei Dietmar Daths Lesung im Burger zu sein, und man hört auch, dass bei Karin Graf am Abend vorher ordentlich über „Mai 3D“ „abgelästert“ wurde. Doch eigentlich erscheint den meisten jedes Wort über das Buch zu viel, Kommentare über lecker Fastfood erspart man sich ja auch meist. Selbst die Leiterin von Quadriga, Dorle Mararilla, berichtet schon vor Lesungsbeginn vom nächsten großen Ereignis ihres Verlags: Die Lesung von Udo Walz nächste Woche in der Bar jeder Vernunft. Walz liest dort aus seinem Buch „Waschen, schneiden, leben“. Gerrit Bartels