Soundcheck

Gehört: Andrea Parkins, Christianskirche. Wer sich vorgestern Abend zu Konzertbeginn gegen halb neun der Christianskirche näherte oder auch nur seinen Hund im nahen Klopstockpark Gassi führte, fiel unwillkührlich vom Glauben ab: Im Glockenturm klöppelte leise eine Frank-Sinatra-Melodie vor sich hin.

Die New Yorkerin Andrea Parkins, der diese Grußadresse primär gelten mochte, kam in ihrer Soloperformance dann ganz ohne Anleihe bei Herkömmlichem aus. Akkordeon, Klavier und Sampler dienen ihr als unheilig verfremdete Mittel zum Zweck. Dass der für diese Musikerin mehr im Biegen und Brechen als im Zelebrieren von etablierten Formen besteht, hat sich zwar herumgesprochen. Aber wenn eine so zierliche Person die technisch möglichen Klang- und Geräuschskalen dermaßen konsequent bis zur Schmerzgrenze ausreizt, kommt zur körperlichen Erschütterung da und dort eine gefühlsmäßige Irritation hinzu. So ließen es manche Besucher – nicht unbedingt verstört, aber doch früh gesättigt – beim ersten Set von Parkins' Radikalkur bewenden.

Dabei behauptete sich mittendrin in einer Lärmkaskade, gleichsam als „Turbulenz im Unendlichen“, auch schon mal ein zartes Glockenspielsample. Der literarischen und bildnerischen Inspiration eines Henri Michaux ist Andrea Parkins' Musik tatsächlich näher als dem, was noch unter Avantgarde-Jazz zu rubrizieren wäre. Andrea Parkins ist keine Tüftlerin, sie gestaltet ihre langen, raumgreifenden Ambient-Tonschleifen als konsequente Reflexe auf außer- und oft genug unmusikalische Gegenwart: nicht um einer hehren oder holden Kunst zu frönen, sondern hörbar aus Notwendigkeit.

Andeas Schäfler

Zeichnung: Martin tom Dieck