„Heil Hitler – der allerletzte Ausweg“

Aufmärsche, Rechtsrock und Skin-Fußball: Der „Club 88“ in Neumünster entwickelt sich immer mehr zum norddeutschen Neonazi-Zentrum  ■ Von Peter Müller und Andreas Speit

Elmshorn oder Hohenweststedt, Kiel oder Rendsburg, Hamburg-Barmbek oder -Bergedorf: Wenn Norddeutschlands militante Neonazis und die „Freien Nationalisten“ marschieren, sind die aus dem „Club 88“ in Neumünster stets dabei. In dem rechten Treff in der Segeberger Straße werden Jugendliche für die rechte Szene „rekrutiert“ und bei abendlichen Musikveranstaltungen rechtsextremistische CDs, Fan- und Musikmagazine sowie andere szenetypische Artikel zum Verkauf angeboten. Doch die Stadt zeigt sich bislang hilflos: „Aktivitäten innerhalb der Stadt sind nicht mit polizeilich relevanten Auswirkungen verbunden“, beschwichtigt SPD-Stadtrat Günter Humpe-Waßmuth.

Seit 1996 besteht der rechtsextreme Treff im Stadtteil Gadeland, der bereits in den achtziger Jahren als rechte Hochburg galt. Der Club ist Nachfolger der in Itzehoe nach Protesten geschlossenen rechten Kneipe „Zum Kelten“. Regelmäßig treffen sich im „Club 88“ Skinheads und „Freie Nationalisten“ unbehelligt zum Biertrinken und Musik hören, am Wochenende ist oft „Koma-Saufen“ angesagt.

Im Oktober 1999 feierten 200 Skins und Neonazis aus dem In- und Ausland das dreijährige Bestehen des Clubs. Die „8“ steht als Code für das „h“, den achten Buchstaben im Alphabet. Zusammen mit dem Club-Slogan „The very last resort“ ergibt sich die Losung: „Heil Hitler – der allerletzte Ausweg“.

Trotz anfänglicher Proteste der Schulleitung und des Elternrates der Grund- und Hauptschule Gadeland direkt gegenüber vom „Club 88“ sehen sich Neumünsters Stadtväter nicht in der Lage, dem braunen Spuk ein Ende zu setzen. Dabei registrieren die Verantwortlichen durchaus, dass von Aktivisten der Kneipe „Einfluss auf Jugendliche“ an der Schule oder in den benachbarten Jugendheimen Gadeland und Faldera ausgeübt wird.

Mehrfach versuchte die grüne Ratsfrau Andrea Storke, im Alleingang den „Club 88“ zum Thema zu machen. Deshalb erhielt sie mehrfach Drohungen, vor drei Tagen wurden an ihre Wohnung und an ihren Arbeitsplatz Parolen gesprüht: „Storke, Du weißt Bescheid.“

Die Konzession für den „Club 88“ besorgte 1996 Christiane Dolscheid. Sie leitet die Ortsgruppe des „Skingirl-Freundeskreis Deutschland“ und schreibt für das Skingirl-Fanzine „Walküre“ und das Neonazi-Blatt „Hamburger Sturm“. Bei Aufmärschen lichtet sie oft als Fotografin für die Anti-Antifa linke GegendemonstrantInnen ab oder ist bei der Sanitäterinnengruppe „Braunes Kreuz“ aktiv.

Längst ist der Treff im Zentrum Schleswig-Holsteins mit seinem Kultur- und Politikangebot zum Magneten für rechts eingestellte Jugendliche aus ganz Norddeutschland geworden. Diese finden dort sowohl Kontakt zu strammen Kadern als auch zur Skin-Musikszene. Im September 1999 erfreuten sich die Besucher an einem Konzert des Rostocker Liedermachers André Lüders, der „mit einer schönen Ballade zu Ehren der Waffen-SS“ begann.

Ausgestattet mit Schirmmützen und „T-Hemden“, wie es eingedeutscht bei ihnen heißt, mit den Aufdrucken „The very last resort“ oder „88“ tritt die Club-Szene bei Neonaziaufmärschen gemeinsam in Erscheinung. Im August vorigen Jahres fand das erste vom „Club 88“ organisierte Skinhead-Fußball-Turnier auf dem örtlichen Sportplatz des Vereins „ETSV Gut Heil“ mit 100 Teilnehmern statt. In den Jahren davor nahm das „88“-Team stets am Skinhead-Turnier in Tostedt in der Nordheide teil.

Die Herausgeber des „Hamburger Sturm“ preisen den „Club 88“ gern als „unser Sturmlokal“. Und auch im Magazin „Zentralorgan“ der „Freien Nationalisten“ lobt die Bremer Naziband „Aussetzer“ den Treff: „Nette Wirtsleute, leider etwas klein.“

Zu den „Wirtsleuten“ gehört auch Dolscheids Lebensgefährte Tim Bartling. Er und sein Freund Henry Markwirt, der ebenfalls zum Umfeld des Clubs gehört, wurden vom Neumünsteraner Amtsgericht im vorigen Jahr zu Geld- bzw. Haftstrafen auf Bewährung verurteilt, da sie zusammen mit anderen „Kameraden“ 1997 einen Kurden zusammengeschlagen hatten. Markwirth saß bereits 1995 eine Haftstrafe wegen Körperverletzung ab.

Auch der Hamburger Jan Steffen Holthusen hat in jüngster Zeit offensichtlich seine Aktivitäten nach Neumünster verlagert. Holthusen war lange Zeit Mitarbeiter beim Kampfblatt „Hamburger Sturm“. Wie Bartling unterhält er beste Beziehungen zum „Aktionsbündnis Norddeutschand“ um die Hamburger Neonaziführer und Ex-NL-Chefs Thomas Wulff und Christian Worch. Zusammen mit dem Kieler Peter Borchert, Repräsentant des „Flensburger Sturm“, trat Holthusen auch bei NPD-Wahlkampf-Veranstaltungen in Erscheinung. Borchert ist wegen schwerer Körperverletzung und versuchter Tötung vorbestraft.

Inzwischen ist aus der anfangs losen Skin- und Hooliganszene des „Club 88“ der „Sturm Neumünster“ hervorgegangen, der fest in die regionale Neonazi-Struktur eingebunden ist. Neben guten Beziehungen zum „Aktionsbüro Norddeutschland“ pflegt der „Club 88“ auch enge Kontakte mit der Tostedter Neonazi-Clique um Sascha Bothe, die neuerdings als „Blood und Honour“-Sektion Nordmark auftreten. Die internationale „Blood and Honour“-Szene wird in England und Schweden für Anschläge auf Linke und Gewerkschafter verantwortlich gemacht. Zudem unterhalten die „Club 88“-Macher enge Beziehungen zu den militanten „Hammerskins“ um den Lüneburger Sven Grewe, eine international operierende Neonazi-Elitetruppe.

In Neumünster verzichtet die „Club 88“-Szene mit dem Hinweis auf die „Argumentationshilfe für rechte Gewalt“ explizit auf „militante Aktionen“. Dennoch hat sich an ihrem ungehinderten Agieren in den vorigen Monaten nichts geändert. „Es ist nach wie vor zu beobachten, dass aus der rechten Szene Kontakte zu Jugendlichen gesucht werden“, räumt Stadtrat Humpe-Waßmuth. Die Personen der rechten Szene „mit hartem Standpunkt“ seien daher „primär die Zielgruppe von Polizei und Verfassungsschutz“ – wovon Beobachter allerdings wenig wahrnehmen. Hausdurchsuchungen wegen des möglichen Verkaufs inkriminierter Rechtsrock-CDs gab es bislang zumindest nicht.

„Diejenigen Jugendlichen, die ihren Standort noch suchen, sind als wichtige Zielgruppe der Jugendhilfe zu sehen“, beteuert Humpe-Waßmuth dagegen. Dennoch werden immer mehr junge Leute im Teenie-Alter auf Neonazi-Aufmärschen aus dem Dunstkreis des „Club 88“ beobachtet. „Die Stadt tut nichts“, klagt die grüne Ratsfrau Storke. Mit dem Hinweis, die würden ja nur Bier trinken oder Fußball spielen, werde immer alles abgetan.

Storke macht vor allem das „mangelnde Bewusstein bei den Funktionsträgern“ für die Lethargie verantwortlich: „Der Club wird eigentlich akzeptiert.“