Die wackligen Stühle der Geschichte

Israelische Midlife-Crisis: Das fsk zeigt den Film „Happy Birthday, Mr. Mograbi“

Für Israel ist das 50. Jubiläum seiner Gründung ein glücklicher Tag, für die palästinensische Bevölkerung jährt sich dagegen „Nakba“, die Katastrophe von 1948. In „Happy Birthday Mr. Mograbi“ des realen israelischen Regisseurs Avi Mograbi wird dieser perspektische Widerspruch zu einem Problem des fiktiven israelischen Regisseurs Avi Mograbi. Der eine Mograbi benutzt den anderen als Vehikel seines Konglomerats aus Dokumentation, satirischem Sittenbild und ironischer Verarbeitung der eigenen Midlife-Crisis: Mograbi stellt zufällig fest, dass sein Geburtstag im Jubiläumsjahr 1998 auf denselben Tag fällt wie der am hebräischen Kalender orientierte Staatsfeiertag.

So sitzt Mr. Mograbi zwischen den Stühlen der Geschichte – der eigenen und der des Landes, in dem er geboren wurde. Ein Produzent des israelischen Fernsehens trägt ihm immer neue Ideen für ein Feature zum 50. Geburtstag Israels an, das sich kurzatmig an den jeweils aktuellen Themen orientiert. Mal soll es aufgrund steigender Arbeitslosenraten um soziale Themen gehen, die den Feiertag überschatten, dann wieder um den Friedensprozess. Gleichzeitig nimmt Mograbi den Auftrag eines palästinensischen Produzenten an, die stummen Zeugen der Nakba zu filmen. Von Unkraut überwucherte palästinensische Geisterstädte, die seit dem Krieg von 1948 dem historischen Vergessen überantwortet sind, dokumentieren die „signs of life lost“.

Für den echten Mograbi sind diese Aufnahmen „Piratensendungen“, die den eigenen Film und damit die ebenfalls dokumentierten Shootings von patriotischen Reden Netanjahus oder folkloristischen Tanzgruppen durchschneiden.

Sein Protagonist Mograbi sitzt währenddessen in einer moralischen Klemme. Seine Familie hat wie viele andere vor ihr ein Grundstück gekauft, um ein Haus zu bauen. Der Traum vom eigenen Heim leidet allerdings an einem kleinen, aber folgenschweren bürokratischen Fehler: Im Grundbuch wurde den Mograbis ein zu großes Grundstück eingetragen. Was die Mograbis gewonnen haben, fehlt nun den Nachbarn.

Wo die Story von Mograbis vielschichtigen Problemen immer wieder grotesk-humoristische Formen annimmt, argumentiert der Soundtrack zu den Nakba-Sektionen des Films historisch akkurat. Diese Durchdringung biografischer, dokumentarischer und fiktiver Ebenen wendet Mograbi nun schon zum zweiten Mal erfolgreich an. Im Vorgänger „How I Learned to Overcome My Fear and Love Arik Sharon“ erzählte Mograbi die Geschichte eines Alter Ego, das sich vom linken Scharon-Gegner zu dessen Anhänger wandelt. Fiktion und ironische Distanz sind Mograbi nicht nur die Ornamente der eigentlichen Dokumentation. Sein Humor, der vor sich selbst nicht halt macht, macht diese Politdoku erst politisch.

Ulrich Gutmair

„Happy Birthday, Mr. Mograbi“. Regie: Avi Mograbi. Mit Shachar Degal u. a. Israel 1998, 78 Min. Täglich 20 Uhr, fsk, Segitzdamm 2 (OmU)