Ärztekammer will Gen-Check bei Embryonen aus dem Labor
: Die neue Selektion

Gestern hat die Bundesärztekammer (BÄK) ihr Papier zur Präimplantationsdiagnostik vorgestellt; erwartet wurde es schon seit Längerem. Die Stellungnahme der Ärztefunktionäre dürfte kontroverse Diskussionen auslösen: Die BÄK spricht sich für eine – wenn auch sehr eingeschränkte – Zulassung des Gen-Checks aus. Sie soll bei der künstlichen Befruchtung angewandt werden und darüber entscheiden, welches der im Reagenzglas erzeugten Embryonen nun die Chance bekommen soll, von der Mutter ausgetragen zu werden.

Inhaltlich war diese Position erwartbar, erstaunlich ist, dass die BÄK ihren Vorschlag für rechtlich kompatibel hält. Denn die Politiker, allen voran die federführende Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer, gehen davon aus, dass das Embryonenschutzgesetz den Gen-Check von Reagenzglasembryonen im Acht-Zell-Stadium eindeutig untersagt. Trotzdem legen die Ärztefunktionäre einen Entwurf vor, der bis in alle Einzelheiten genau vorschreibt, wie ein Ärzt vorzugehen hat, der eine Präimplantationsdiagnostik (PID) durchführen möchte. Ein Diskussionsangebot an die Gesellschaft, hieß es dazu gestern bei der Vorstellung des Papiers. Die BÄK geht nämlich davon aus, dass inzwischen ein breit geteilter Wunsch besteht, im Rahmen der künstlichen Befruchtung – bei schweren Erbkrankheiten – auch eine Selektion der Embryonen zu ermöglichen.

Dennoch bleibt die Frage, warum von der BÄK nicht ein Positionspapier vorgelegt wurde, das auf den Einwand eingeht, PID würde dem Embryonenschutzgesetz widersprechen. So bleibt der bittere Eindruck zurück, die Ärztekammer wolle auf jeden Fall durchsetzen, dass Embryonen auch in Deutschland selektiert werden dürfen.

Allerdings ist immerhin begrüßenswert, dass die BÄK von ihrer früheren Praxis abgegangen ist, fertige Richtlinien vorzulegen, ohne eine vorhergehende breitere Diskussion auch in der Öffentlichkeit abzuwarten. Trotzdem ist wohl einmalig, dass sie eine Richtlinie vorlegt – auch wenn es nur ein Entwurf ist –, die Handlungsanweisungen für eine von der Politik verbotene Methode enthält.

PID wird auch in den nächsten Monaten ein Thema bleiben. Besondere Brisanz hat diese diagnostische Methode auch, weil sie eine der unabdingbaren Voraussetzungen dafür ist, den genmanipulierten Menschen zu schaffen. PID ist nämlich nicht nur dazu geeignet, Erbeigenschaften bei Embryonen im Acht-Zell-Stadium zu überprüfen. Mit PID ist auch der Einstieg in die Menschenzüchtung möglich. Denn sie erlaubt die umfassende Kontrolle, inwieweit die Genmanipulation erfolgreich war.

Zwar weist auch die Bundesärztekammer ausdrücklich darauf hin, dass sie diese Entwicklung nicht will, und verlangt, dass entsprechende Schranken errichtet werden. Doch ist PID erst einmal etabliert, ist eine wichtige Hürde für künftige Keimbahneingriffe genommen. Schon jetzt gibt es – vereinzelt zwar noch – Wissenschaftler, die bei besonders schweren Erkrankungen die Notwendigkeit sehen, mit Eingriffen in die befruchtete Eizelle das Leiden zu mindern oder gar zu heilen. Wenn erst die Techniken ausgereifter sind, wird sich die grundsätzliche Frage jedoch ganz anders stellen: nämlich, ob Eingriffe in die Fortpflanzungszellen nicht doch erlaubt sein sollen. Insofern wird mit PID auch die ethisch-moralische Mauer ein Stück niedergerissen, die den Einstieg in die Menschenzüchtung verhindert.

Und hier besteht dann auch eine direkte Verbindung zu dem skandalösen Menschenpatent des Europäischen Patentamtes in München, das in den letzten Tagen für so viel Aufregung gesorgt hat. Im Grunde haben die Patentschützer, ob nun mit Absicht oder aus Naivität, die medizinische Entwicklung vorweggenommen. Trotz aller Befürchtungen und Proteste: Der medizinische Fortschritt scheint uns direkt auf den genmanipulierten Menschen hinzuführen. Man muss dem Philosophen Peter Sloterdijk mit seinen Regeln für den Menschenpark nun wirklich nicht folgen. Aber mit einem hatte er Recht: Es ist schon lange überfällig, Regeln für unseren Menschenpark zu schaffen. Nicht jedoch, wie er meint, für einen kontrollierten Menschenpark, sondern ob wir überhaupt in die Menschenzüchtung einsteigen wollen.

Wolfgang Löhr