Autofreier Tag in Bogotá

Erstmals blieben 800.000 Pkw zu Hause. Radler nutzten die Straßen

São Paulo (taz) – 13 Stunden lang gehörten am Donnerstag die Straßen der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá den Radlern, Joggern, Bussen und Taxis. Auf Inititative von Bürgermeister Enrique Peñalosa fand in der sieben-Millionen-Metropole ein autofreier Tag statt – für Lateinamerika ein Novum. Trotz regnerischen Wetters beteiligten sich viel Bogotaner begeistert an der Aktion.

Nur die Busse quälten sich in gewohnter Manier durch die Stadt – schließlich sind die meisten Menschen auch unter normalen Bedingeungen auf sie angewiesen. Von Norden und Westen her wurden zwei Zuglinien reaktiviert. Abends hingegen waren manche Stadtviertel um acht Uhr wie ausgestorben.

Normalerweise steht den Radlern lediglich am Sonntagvormittag ein Netz von 81 Kilometern zur Verfügung. Dann werden ausgewählte Schnellstraßen für Autos gesperrt – etwa die Carrera Séptima in Nord-Süd-Richtung. Am Donnerstag radelten zehntausende erstmals zur Arbeit, was sonst lebensgefährlich ist. Vor allem das Stadtzentrum lebte auf. Musiker, Schauspieler, Tänzer, Geschichtenerzähler und Clowns unterhielten die Passanten.

Das Fahrverbot am Donnerstag fand denn auch breite Akzeptanz. Bei 800.000 betroffenen Privatwagen wurden nur wenige hundert Geldstrafen von umgerechnet je 20 Mark verhängt. Und schließlich gab es keinen einzigen Verkehrstoten zu beklagen.

Mit dem autofreien Tag hat der liberale Technokrat Peñalosa sein Hauptziel erreicht: Schon im Vorfeld debattierten die Medien darüber, wie man die Andenmetropole wieder zu einer liebens- und lebenswerten Stadt machen könne. Der autofreie Tag dient als Startschuss für den Verkehrsplan „Bogotá 2015“. Bis dann sollen die ersten Metro- und Schnellbuslinien morgens und abends ein jeweils dreistündiges Fahrverbot für Privatautos ermöglichen.

Der Einzelhandel allerdings klagte über Umsatzeinbussen. Das Lamento von Tankstellen-, Werkstätten-, und Supermarktinhabern, aber auch Straßenhändlern war den ganzen Tag über das Leitmotiv des Radiosenders Caracol. Andere, wie der Journalist Manuel Rincón, genossen den Tag: „Man konnte freier atmen, es war nicht so laut, der übliche Stress war einfach weg.“ Gerhard Dilger