Kommentar
: Frischluft für die Demokratie ■ Die Spendenaffäre hat alle Parteien beschädigt

Viel Zeit bleibt uns nicht zum Luftholen. Bis vor kurzem raubte den Atem, dass sich das Land 16 Jahre von einem Mann regieren ließ, der log, als er dem Parlament versprach, er werde sich an Gesetz und Verfassung halten. Nun macht der Verdacht, nein: die Beinahe-Gewissheit den Brustkorb eng, dass sich wichtige Staatssekretäre der Regierung systematisch schmieren ließen, um ihren Geldgebern genehme Entscheidungen des Kabinetts zu erreichen. Die Indizien gegen Kohl und Co. sind erdrückend. Und das alles ist doch erst ein Zwischenstand. Die bange Frage, die man jetzt stellen muss, ist eine doppelte: Wer war eigentlich sauber? Und welche Schlüsse ziehen die da unten, die in Demokratien denen da oben notgedrungen Vertrauensvorschüsse von mindestens einer Wahlperiode gewähren müssen?

Absehbar ist zunächst, dass nach der CDU nun auch die CSU und die SPD in den Strudel der schwersten Parteienkrise der Republik gesogen werden. Dabei geht es nicht etwa um die Flugaffäre in Nordrhein-Westfalen. Dort steht die Aufdeckung der politischen und wirtschaftlichen Doppelfunktionen hochrangiger Sozialdemokraten in Thyssen-Konzern und Bundestag an; in Bayern die letzte Bestätigung für die Connection von Industrie und Freistaat, die Franz Josef Strauß verkörperte – und die nun auch Strahlemann Stoibers CSU beflecken wird.

Das Problem für die Berliner Republik besteht darin, dass praktisch alle in den Parlamenten vertretenen Parteien von der Krise erfasst sind. In der Wahrnehmung vieler Menschen gehören selbst die braven Grünen mit dazu, weil sie ihre alte Rolle als Saubermänner und -frauen eingebüßt haben oder sie nicht mehr überzeugend spielen. Wenn aber quasi keine Partei mehr diesen Nimbus für sich beanspruchen kann, dann wird für den Bürger ein bisher abstraktes Vorurteil konkret: dass Politik ein schmutziges Geschäft ist.

Dagegen gibt es nur ein Mittel: Die Bürger müssen die Möglichkeit erhalten, direkt Einfluss auszuüben – ohne Vermittlung der Parteien, ohne lange Fristen. Es ist höchste Zeit, dass Plebiszite und Volksbefragungen zu ihrem Recht kommen. Sonst steht zu befürchten, dass die Parteien, die im Parlamentarismus nur Mittel zum Herstellen von Volkssouveränität sind, jenen die Luft abschnüren, für die Demokratie eigentlich erfunden wurde: den BürgerInnen. Christian Füller