Schnell in den „Trichter“ gekommen

■ „Rechtsrock“-Konzert: Unbehelligt von der Polizei feiern Neonazi-Skinheads bei Bad Segeberg Horst Wessels Geburtstag

800 Neonazi-Skinheads aus dem gesamten Bundesgebiet haben am Samstag in Klein Gladebrügge bei Bad Segeberg den 70. Todestag des SA-Sturmführers Horst Wessel gefeiert. Es war das bislang größte „Rechtsrock“-Konzert im Norden.

Während im niedersächsischen Landkreis Harburg ein polizeiliches Großaufgebot auf Besucher eines verbotenen Rechts-Konzerts wartete, bereitete die Polizei in Klein Gladebrügge den Neonazis kaum Probleme. Damit hat das laut Verfassungsschutz locker organisierte „Blood-and-Honour-Netzwerk“ (Blut und Ehre) einmal mehr seine Fähigkeit bewiesen, straff organisiert Hunderte Rechte aus ganz Deutschland zu einem Treff zu dirigieren und sogar zwei Landespolizeien gegeneinander auszuspielen.

Der Tostedter Skinheadführer und „BH-Sektion-Nordmark“-Aktivist Sascha Bothe hatte für Samstag zwei Veranstaltungen als „private Geburtstagsfeier“ angemeldet: in der Weseler „Heidehalle“ (Harburg) und im als rechter Veranstaltungsort bekannten Gasthaus „Trichter“ in Klein Gladebrügge. Während der Versammlungsort Heidehalle in der Öffentlichkeit bekannt wurde, blieb der Treff bei Bad Segeberg bis zum Samstagabend konspirativ.

Im Landkreis Harburg bemühte sich die Polizei redlich, ein mögliches Skin-Konzert zu verhindern. Zu diesem Zweck war Bereitschaftspolizei aus ganz Niedersachsen zusammengezogen worden, vor allem im Bereich Wesel-Undeloh und Tostedt. Die „Heidehalle“-Vermieterin hatte den Vertrag am Freitag gekündigt, nachdem sie von der Polizei über den eigentlichen Charakter der „Privatfeier“ aufgeklärt worden war, so Polizeisprecher Jürgen Hacker. Alle Ersatzveranstaltungen im Landkreis seien daraufhin von der Polizei verboten worden.

Ein anderes Bild am Abend in Klein Gladebrügge: Wer von der Kreisstraße über Schwizzel in das Dorf fuhr, konnte ungehindert den „Trichter“ erreichen. Lediglich wer über das Industriegebiet Bad Segeberg-West anreiste, musste sich laschen Kontrollen unterziehen: „Haben Sie Waffen dabei?“ „Nein“ – kurz mit der Taschenlampe in den Kofferaum geleuchtet und weitergewunken. Dennoch erspähte die Polizei eine Bundeswehr-Übungshandgranate, Schlagstöcke, Baseballschläger und Neonazi-Utensilien. Die Skins waren wohl mit dem bewährten B & H-Handy- und Leitsystem in den Norden geschleust wurden. Im Chat-Rooom „C18“ erhielten die „Kameraden“ per Internet zusätzlich Anweisungen – „C18“ steht für „Combat 18“, die englische Neonazi-Terror-Einheit der B & H-Landessektion.

Obwohl die Kieler Polizeidirektion seit zwei Wochen über das Konzert im „Trichter“ informiert war, hat es offenbar keine Abstimmung mit den Niedersachsen gegeben. „Wir waren davon ausgegangen, dass die Veranstaltung in Segeberg verboten wird und Tostedt ein Alternativort wäre“, begründet Hacker den Großeinsatz. Warum dies nicht geschehen ist, konnte gestern der Sprecher des Kieler Lagezentrums auch nicht sagen. „Das ist Sache des Staatschutzes, darüber haben wir keine Kenntnis.“

Peter Müller/Andreas Speit