Wenn Schönheit unerträglich wird ...

■ ... ist deutsche Erstaufführung einer hübschen Seifenoper: Das Oldenburger Theater zeigt „Marie Antoinette“

Es geht zur Sache in Oldenburg: Blut, Folter, Volkswut in der französischen Revolution. Am Staatstheater wird höchst ambitioniert „Marie Antoinette“, eine Oper des schwedischen Komponisten Daniel Börtz, aufgeführt.

Die Österreicherin Marie Antoinette war die verschwendungssüchtige und deshalb auch „Madame Defizit“ genannte Frau Ludwigs XVI. Er hatte den Ruf, ein Tolpatsch zu sein, und merkte bald selbst, dass dieser Ruf nicht unberechtigt war. Da konnte nicht ausbleiben, dass Marie Antoinette sich in den schnittigen schwedischen Grafen Axel von Fersen verliebte.

Claes Fellbom hat zu dieser Geschichte ein Libretto geschrieben. Nach der 1998 erfolgten Stockholmer Uraufführung betreut er nun auch die Oldenburger Einstudierung als deutsche Erstaufführung. Schnittartig montiert er die Ereignisse zwischen 1774 in Paris – bis zur Enthauptung Marie Antoinettes – und die in Stockholm von 1810, als von Fersen einem Lynchmord erliegt, weil er den Prinzen ins Jenseits befördert haben soll.

Diese äußerliche Geschichte kommt recht gut rüber. Man hat die trefflichen Bühnenbilder aus Stockholm (Werner Hutterli) nach Oldenburg mitgebracht: flexible Gänge und eine Treppe im Hintergrund. Es sieht fast aus wie ein Gefängnishof. Die sängerischen und die schauspielerischen Leistungen sind hervorragend: Hier ist an erster Stelle Elizabeth Hagedorn als Marie Antoinette zu nennen. Aber auch Paul Brady als Axel von Fersen bringt junge und forsche Kraft hinein. Als intrigante Madame la Motte brilliert Susan Maclean und als Todeskandidatin der Revolution Alexia Basile. Dennoch wäre der über dreistündige Abend vor allem ohne Elizabeth Hagedorns Intensität kaum zu überstehen.

Denn die Inszenierung in historischen Kostümen (Mathias Clason) bricht und stilisiert nicht, sondern poltert eine Direktheit heraus, die nicht selten an eine Seifenoper erinnert. Zu diesem Eindruck trägt noch stärker die Musik bei: Die ist an Klischees und Plattheit kaum noch zu überbieten, und ich muss mich hüten, hier noch ein paar lobende Worte für ein gekonntes Handwerk zu verlieren. Denn Handwerk allein kann's nicht sein.

Motivfetzen von unglaublicher Banalität, eine durch und durch so langweilige Schlagzeugbehandlung, dass man's kaum glauben mag, und eine richtig süffige Streicherbehandlung kennzeichnen diese Musik. Dabei greift sie gelegentlich zu nicht unbedingt neuen, aber dramaturgisch interessanten Mitteln, wenn zum Beispiel Marie Antoinette in einem Auftritt am Hof Purcells „Tod der Dido“ singt oder eine junge Revolutionärin ein originales Lied der Zeit. Beides jedoch klingt nicht, wie es beabsichtigt ist, als Zitat, sondern als die bessere Musik. Fatal.

Aber auch solche Momente wie die utopisch abhebende Kantilene der Marie Antoinette während ihrer Gerichtsverhandlung verlieren ihre psychologisierende Wirkung, weil der Kontext genau diese Wirkung nicht zulässt. Und immer sind schöne Melodien in klassischer Periodenbildung von penetranter Geschwätzigkeit zu hören, am schönsten – und damit unerträglichsten – die Sologeige im Liebesduett zwischen Marie-Antoinette und Axel, in dem sie wie die beiden Königskinder nicht zueinander können. Die Musik zum Film Titanic ist spröde dagegen!

Das verbindet sich mit einem weiteren dramaturgischen Mangel: Die Verzahnung von Marie-Antoinettes Schicksal mit den Ereignissen der Revolution bleibt ebenso äußerlich wie die Begründung der Liebe Marie-Antoinettes zu Axel von Fersen. Die Phimose-Operation Ludwig XVI. auf der Bühne karikatural zu zeigen, ist eins der Beispiele, dass auch die Inszenierung bei vordergründiger Plakativität keinen zwingenden Stil hat, an keiner Stelle deutlich machen kann, warum jetzt genau diese Geschichte erzählt wird. Das Oldenburgische Staatsorchester müht sich unter der Leitung von Roaul Grüneis durch diesen künstlichen Klangbrei. Glänzende Leistungen vom Chor (Thomas Bönisch).

Ute Schalz-Laurenze

Aufführungen: 8., 12. und 16. März um 19.30 Uhr im Oldenburgischen Staatsorchester