Hier kommen die Gewitterziegen

■ Ab Mittwoch sorgen die Women in (E)motion wieder für frische Pop-Töne

Es ist wieder soweit: In den kommenden vierzehn Tagen lädt das renommierte „Women in (E)motion“-Festival zu musikalischen Entdeckungsreisen in mehr oder weniger unbekannte Klangwelten ein. Das vor zwölf Jahren von Petra Hanisch initiierte Festival, das sich dem besonderen Beitrag von Frauen zur populären Musik widmet, bietet auch dieses Jahr ein abwechslungsreiches Kaleidoskop von Musik unterschiedlichster Herkunft und Tradition.

Eröffnet wird das Festival am Mittwoch im Kito von dem ausdruckstarken Vokalduo Hijas del Sol. Die beiden Sängerinnen aus dem westafrikanischen Äquatorial-Guinea kreuzen die Melodien und Rhythmen ihrer heimatlichen Bantu-Tradition mit spanisch-karibischen Einflüssen und westafrikanischen Pop-Varianten wie Makossa oder Soukous. Das Ergebnis ist ein eingängiger Crossover, geprägt von schmeichelnden Vokalharmonien und wiegenden Rhythmen. In ihren Liedern greifen die Sängerinnen Piruchi Apo Botup und Paloma Loribo Apo nicht nur traditionelle Ritualgesänge auf, sondern auch aktuelle Probleme wie die Lebenssituation afrikanischer Immigranten in Spanien oder die erschreckende Verbreitung von Aids in Afrika.

Völlig andere Töne schlägt die US-amerikanische Komponistin und Pianistin Robin Holcomb an. Sie hat eine ganz eigene, fragile Tonsprache entwickelt, die streckenweise wie die Begleitmusik zu Stummfilmen daherkommt. In ihren Kompositionen scheinen ländliche Musiktraditionen der USA ebenso durch wie die Musik von Charles Ives oder Minimal Music. Dieser besondere Traditionsbezug rückt sie in die Nähe des Gitarristen Bill Frisell. Ihre Stücke strahlen diese gewisse Leichtigkeit aus und vermitteln dabei gleichzeitig den Eindruck von Tiefe, Momente die auch Frisells Musik auszeichnen.

Demgegenüber wirkt der „Modern Blues“ von Sandy Dillon irritierend düster und kratzbürstig. Ihre Songs klingen manchmal so als wäre Janis Joplin als Sängerin von Sonic Youth wieder auferstanden und würde nun in Slow motion singen. Dillon singt heiser-krächzend zu schleppenden Gitarrenackorden, über düster rumpelnden Rhythmus-Patterns und beunruhigenden Distortionsounds im Hintergrund. Diese in der Traditionslinie eines Captain Beefhart oder Tom Waits stehende Musik löst vielleicht zunächst Befremden aus, aber mit der Zeit entwickelt sie einen besonderen Sog.

In gewisser Hinsicht sind die drei Kanadierinnen Veda Hille, Kinnie Starr und Susie Ungerleider alias Oh Susanna, die gemeinsam als Scrappy B.I.T.C.H. Tour firmieren, trotz aller Unterschiede Wesensverwandte. Was sie vereint, sei der Sinn für kraftvolle Texte, meint Veda Hille. Zwischen eigenwilliger Songpoesie zu sehr reduzierten Klängen (Veda Hille), HipHop und Rezitation mit Punkattitüde (Kinnnie Starr) sowie einer bissigen Country-Variation mit morbidem Touch ist das Stilspektrum der drei musikalischen Individualistinnen angesiedelt. Das Slangwort Bitch legen sie selbstbewusst, den Sinn umkehrend, als Bold.Intelligent.Totally.Charismatic.Hellcats (kühne, intelligente, total charismatische Gewitterziegen) aus. Die drei „zusammengestoppelten“ (scrap-py) Musikerinnen werden solo und gemeinsam auftreten.

Deutlich gemäßigter geht es bei der jungen Sängerin/Gitarristin Martha Wainwright zu, ihre Musik ist eine Art folkiger Songwriter-Pop. Die Tochter des bekannten Singer/Songwriters Loudon Wainwright III singt mit heller, warmer Stimme, variiert unterschiedliche Liedformen und greift auf ihren Alben auch schon mal auf schmeichelnde Streicher zu.

Mit seinen zum Teil archaisch anmutenden Gesängen und Tänzen bildet das malische Tuareg-Ensemble Tartit einen eindrucksvollen Abschluss des Festivals. Die achtköpfige Truppe repräsentiert eine untergehende Kultur. Gesellschaftlich an den Rand gedrängt, zum Teil gewaltsam unterdrückt, lösen sich die überlieferten Sozialstrukturen der ehemals rund um die Sahara nomadisierenden Tuareg immer mehr auf. Der Gesang von Tartit bewegt sich in den typischen Call and Response-Strukturen arabischer Tradition, manchmal reduziert auf faszinierende rhythmische Keuchtöne, wie frau sie auch von Sufis kennt. Dazu schaffen die einsaitige Geige Imzad, die dreisaitige Laute Teharden und Klatschen eine sparsame instrumentelle Basis. Auch fürs Auge bieten die Malierinnen etwas, denn einige Mitglieder werden auch traditionelle Tänze aufführen. Arnaud

„Women in (E)motion“-Festival vom 1. bis 14. März