Schwierige Erinnerung ■ Gedenkstein für Brandstifter macht Sinn

Über die Umstände des Reichstagsbrandes streiten die Historiker –eines aber ist gewiss: Dass der Niederländer Marinus van der Lubbe – ob alleine oder nicht – das Parlamentsgebäude in Brand setzte, kam den neuen Machthabern zumindest gelegen. Umgehend setzten die Nazis die Grundrechte außer Kraft und überzogen die Gegner des Regimes mit einer Welle systematischer Verfolgungen. Den Brand, der den Anlass dafür bot, bezeichnete Josef Goebbels als „Geschenk des Himmels“.

Das Ereignis führt besonders drastisch vor Augen, dass persönliche Absichten und politische Wirkungen in der Geschichte selten übereinstimmen. Die 100 Aktivisten aus den Niederlanden, die gestern einen Gedenkstein für den Brandstifter an die Spree brachten, sehen van der Lubbe moralisch im Recht; der Berliner Senat, der den Stein nicht am Reichstag sehen möchte, sieht ihn politisch im Unrecht.

Für das Fanal, das van der Lubbe setzen wollte, hatte er sich das falsche Objekt ausgesucht. Elser und Stauffenberg, mit denen van der Lubbes Verehrer den Brandstifter gern vergleichen, verübten Attentate auf den Diktator; van der Lubbe setzte das Symbol der deutschen Demokratie in Brand. Immerhin gelang es ihm damit, das Reichstagsgebäude im kollektiven Gedächtnis untrennbar an den Nationalsozialismus zu binden – mit skurrilen Spätfolgen: Noch beim Einzug des Bundestags im vergangenen Herbst sah manch ein Kommentator im Reichstagsgebäude ein Symbol der NS-Diktatur.

Ein Opfer der Unrechtsjustiz aber war van der Lubbe in jedem Fall. Schließlich musste er die Brandstiftung nur deshalb mit dem Leben bezahlen, weil das Strafmaß nachträglich heraufgesetzt worden war – ein eklatanter Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze.

Die Frage, ob der Niederländer deshalb ein Denkmal „verdient“ habe, ist aber falsch gestellt. Denn die Zeit der Helden ist – hoffentlich – vorbei. Als Ort unkritischer Verehrung wäre ein Gedenkstein für den Brandstifter ohnehin nicht geeignet. Als Ort des Nachdenkens über ein Ereignis, in dem sich die Verwerfungen deutscher Geschichte spiegeln wie in kaum einem anderen, macht er durchaus Sinn. Ralph Bollmann