Gedenken an Reichstagsbrand unerwünscht

Eine holländische Initiative will mit einem Erinnerungsstein vor dem Reichstag an Marinus van der Lubbe erinnern. Doch Kultursenatorin Thoben lehnt ab. Gestern landete der tonnenschwere Stein vorerst vor dem Deutschen Theater

Das Deutsche Theater hat dem vor dem Reichstag unerwünschten Gedenkstein für den Reichstagsbrandstifter Marinus van der Lubbe gestern überraschend Asyl gewährt. „Wir sind stolz darauf, die Übergangsgastgeber für den Gedenkstein zu sein“, sagte gestern der Dramaturg der Kammerspiele des Deutschen Theaters, Stefan Otteni, bei der Präsentation des Steines.

Bei dem Stein handele es sich um kein Mahn- oder Denkmal, sondern um einen Erinnerungsstein, betonte Otteni. Als Theatermann habe er häufig mit vielschichtigen Figuren zu tun, die nicht zu bewerten, sondern öffentlich abzubilden seien, damit sich jeder Einzelne eine Meinung bilden könne. Dies müsse auch bei der Figur van der Lubbe möglich sein. Der beste Platz für den Stein sei allerdings der Vorplatz des Reichstages.

Zuvor hatten Mitglieder der niederländischen Stiftung „Ein Grab für Marinus van der Lubbe“ den Gedenkstein vor dem Reichstagsgebäude der Öffentlichkeit vorgestellt. Bisher lehnen es der Senat und das Bezirksamt Tiergarten ab, den knapp eine Tonne schweren Stein vor dem Reichstagsgebäude zu platzieren. Nach Ansicht des Senats kommen dafür auch keine anderen Stellen im Stadtgebiet in Frage.

Nach dem Willen der Stiftung soll der rund 1,60 mal ein Meter große Stein vor das Reichstagsfenster gestellt werden, durch das der Niederländer 1933 gestiegen sein soll, um das Gebäude anzuzünden. Nach Ansicht des Künstlerduos Sluik/Kurpershoek, das die Gedenkstein-Aktion initiiert hat, wollte van der Lubbe mit dem Brand knapp einen Monat nach Hitlers Machtübernahme „früher als andere ein Zeichen gegen die Nazis setzen“.

Der Reichstagsbrand sei nicht die Ursache für das NS-Regime gewesen, sagte ein Dezernent der niederländischen Stadt Leiden, der Geburtsstadt van der Lubbes. Der Dezernent war gemeinsam mit rund 100 Niederländern nach Berlin gekommen, um vor dem Reichstag für die Aufstellung des Gedenksteins zu demonstrieren.

Zwei der drei Gedenksteine für van der Lubbe sind bereits aufgestellt worden: einer in Leiden, ein anderer in Leipzig, wo der 25-Jährige von den Nazis 1934 hingerichtet worden war. Auf jedem der in Beton gegossenen Steine ist eine Strophe des Gedichtes „Schönheit“ zu lesen, das van der Lubbe kurz vor seinem Tod im Gefängnis geschrieben hatte. Die Berliner Strophe des Gedichtes, das Sluik/Kurpershoek als Vermächtnis van der Lubbes bezeichneten: „Schönheit, Schönheit, was jemals war./ Dann nirgends hin,/Bleib davon, bleib davon./ ‘S ist alles Kristall und Pracht./ Auch Leben selber./ Wo jetzt doch hin./ Aber, o, alles ist Arbeit,/ Es darf, es darf.“

Ob die Berliner den auf einer Palette abgestellten Stein allerdings noch lange anschauen können, ist unklar. „Frau Thoben kann den Stein einfach weg schaffen lassen“, sagte ein DT-Sprecher. Kultersenatorin Christa Thoben (CDU) habe schließlich die Oberhoheit über das Theater.

Richard Rother