Professioneller Popoklatsch mit Anlauf

Eine Berliner Domina betreut die Bundestagsabgeordneten

Ihre Tätigkeit gewährt ihr Einblicke in die hohe Politik, die selbst den meisten Hauptstadtjournalisten nicht vergönnt sind

„Wieso darf?“ Nach Ansicht der lebenslustigen Katinka, die in Berlin-Mitte ein kleines, feines Domina-Studio betreibt, muss man das einfach. „Ich habe gern mit Menschen zu tun“, sagt die 28-Jährige. „Ich denke mal, das geht Politikern genauso. Den ganzen Tag über Gesetzestexten brüten, sich einen Kopf machen, da braucht man abends ein bisschen Abwechslung, um Kraft für den nächsten Tag zu tanken, den Akku aufzuladen.“ Die kontaktfreudige Peitschenfachfrau versteht sich als Partnerin der Politiker. „Die stehen ständig unter Fraktionszwang“, sagt sie mitfühlend, „müssen dauernd nach der Pfeife einer Lobby tanzen, ab und zu wollen die mal sich selbst spüren!“

Wenn sie wie angestochene Tiere brüllen, weiß Katinka, dass sie ihren Job gut macht. Dabei ist sie eher zufällig in diesen Beruf hineingerutscht. Nach der Wende wurde die gelernte Fleischverkäuferin abgewickelt und trieb sich monatelang auf dem Arbeitsamt herum. Eines Tages traf sie dort ihren ehemaligen Marxismus/Leninismus-Lehrer. Katinka packte eine solche Wut, dass sie ihn in den Schwitzkasten nahm und ihm Popoklatsch mit Anlauf versprach. Da wurde der Lehrer auf sie aufmerksam. Ein Glitzern trat in seine Augen, bald besuchte er sie regelmäßig. Dann kam immer mehr Kundschaft zu Katinka, die damals noch bei den Eltern wohnte, bis sie nach der Privatisierung die Miete nicht mehr bezahlen konnten. Da zog Katinka aus und machte sich auch formell selbstständig.

„Manche mögen’s hart“, lautet ihr verschmitzt-launiger Wahlspruch. Ob Politiker bestimmter Parteien häufiger kommen, wollen wir wissen. „Nee“, erwidert die junge Unternehmerin, die die Kredite der staatlichen Anschubfinanzierung längst abbezahlt hat. „Vielleicht kommen die von der PDS etwas weniger, weil sie schon im Bundestag genug einstecken müssen. Aber die werden sicher auch noch integriert!“, riskiert die selbstbewusste Geschäftsfrau eine Prognose.

Die trotz ihrer 28 Jahre erstaunlich lebenskluge Katinka versteht sich als mündige Staatsbürgerin. Sie geht gern wählen, wie sie betont. „Ich bin für die Demokratie“, gesteht die attraktive Geschäftsfrau. „Dann gibt es auch immer neue Gesichter in meinem Studio!“ Und ihre Tätigkeit gewährt ihr manchen Einblick in die hohe Politik, der selbst den meisten Hauptstadtjournalisten nicht vergönnt ist. Sie weiß, dass die Reihen im Bundestag oft so leer sind, weil die Abgeordneten nicht mehr sitzen können.

Wen prügelt sie lieber zusammen – die Regierung oder die Opposition? „Das spielt keine Rolle“, kommt die klare Antwort. „In der Demokratie gibt es ja kaum Unterschiede zwischen den Parteien.“ Katinka liebt ihre Arbeit, das spürt jeder, der sie besucht. Meist steckt sie ihren Kunden einen Knebel in den Mund und macht kein Hehl aus der Befriedigung, „dass die mal ihre Klappe halten müssen. Hier redet nur eine!“ Natürlich fesselt sie ihre Klienten auch: „Die laufen ja genug frei herum“, weiß sie. Dann gibt sie ihnen die Siebener-Peitsche und treibt sie quer durch ihr kleines Reich. „Ich bin eben eine Querlenkerin“, wagt die kesse Berlinerin einen Kalauer und fährt ernsthaft fort: „Hier tanzen die nach meiner Pfeife, und wehe, der Herr Abgeordnete spurt nicht oder stellt sich an oder hält sich für was Besseres. Dann setzt es was, und bei mir nicht nur alle vier Jahre!“, schmunzelt die emanzipierte junge Frau, die sich an ihrem Arbeitsplatz als echte Repräsentantin des Steuerzahlers gibt.

Selbstverständlich besuchen außer Politikern auch die Spitzen der Gesellschaft ihr Studio, dicke Fische aus Wirtschaft und Kultur. Privat aber führt Katinka ein unauffälliges Leben. Hinter der Fassade der gestrengen Domina verbirgt sich ein häuslicher Charakter, eine liebende Mutter. Äußerlich eine Nonkonformistin, wohnt sie in Wahrheit mit einem Lebensabschnittspartner und zwei Kindern in einer typischen Kleine-Leute-Gegend im Osten. Natürlich rutscht ihr schon mal die Hand aus, und auch ihrem Freund geigt sie manchmal mit der Neunschwänzigen die Meinung, aber in der Regel kann sie daheim problemlos von der Arbeit ausspannen. Dass sie ihren Kunden nach Feierabend oder am Wochenende begegnen könnte, wenn sie etwas mit der Familie unternimmt, glaubt sie nicht, und bisher ist es noch nie geschehen: „Wir kleinen Leute und die Politiker leben doch in verschiedenen Welten!“ Peter Köhler