Rühe stolpert auf dem Weg nach oben

■ Sozialdemokraten und Grüne können in Schleswig-Holstein ihre Koalition fortsetzen. Der CDU-Spitzenmann verliert zwar deutlich, muss den Kampf um den Parteivorsitz aber noch nicht aufgeben

Kiel (taz) – Die CDU-Spendenaffäre rupft die Union nicht nur finanziell. Bei der ersten Landtagswahl unter dem Zeichen von Kohls Kohle verlor die CDU mit Spitzenkandidat Volker Rühe gestern deutlich an Stimmen und erreichte nur noch etwa 35 Prozent. Die Chancen des ehemaligen Bundesverteidigungsministers, gegen Angela Merkel den CDU-Vorsitz zu erringen, sind dennoch nicht geschwunden.

Die Sozialdemokraten mit Ministerpräsidentin Heide Simonis gewannen um etwa 2 Prozent hinzu. Da die Grünen mit rund 6,5 Prozent wieder im Landtag dabei sein werden, spricht alles für eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition in Kiel. Die FDP konnte von der CDU-Affäre offenbar profitieren: Sie gewann 2 Prozent dazu. Erfolg auch für den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) der dänischen Minderheit: Die linksliberale Partei, die von der Fünfprozenthürde befreit ist, kam auf etwa 4 Prozent.

CDU-Generalsekretärin Angela Merkel fand für den Konkurrenten Volker Rühe freundliche Worte: Sie nannte das Abschneiden der CDU im Fernsehen „ein gutes Ergebnis“, die Partei sei aus der Talsohle heraus. Rühe habe sich „prima geschlagen“. Die Frage des CDU-Parteivorsitzes bleibt für Merkel weiter offen, Rühe habe auch nach der Wahl bundespolitisches Gewicht. Rühe selbst nannte sein Wahlergebnis gar „ein kleines Wunder“: Die CDU hätte die Wahl gewonnen, wenn es den Parteispendenskandal nicht gegeben hätte. Ob er für das Amt des Bundesvorsitzenden der CDU kandidieren wird, ließ Rühe offen. Als Oppositionsführer steht Rühe in Schleswig-Holstein nicht zur Verfügung. Er sei „ab sofort wieder Bundespolitiker“, sagte er.

CDU-Landesparteichef Peter Würzbach wurde bei der Interpretation des Wahlergebnisses deutlicher: Es sei „bitter und enttäuschend“. „Wucht und Last“ der CDU-Finanzaffäre habe „wie ein Mühlstein“ die Union im Norden nach unten gezogen. NRW-CDU-Chef Jürgen Rüttgers sagte, die Partei habe nur „einen Denkzettel“ bekommen: „In drei Monaten in Nordrhein-Westfalen können wir die Kurve kriegen“. Das Rennen um den CDU-Parteivorsitz sei nach diesem Ergebnis „weiter offen“.

Volker Rühe hatte sich selbst ein Ergebnis von 37 Prozent vorgegeben und dabei angedeutet, diese Zahl sei auch für seine mögliche Kandidatur als Parteichef für den Bund wichtig.

„Aus vollem Herzen zufrieden“ zeigte sich die bündnisgrüne Parteichefin Antje Radcke über das Wahlergebnis. Es sei nicht so selbstverständlich, dass die Grünen im Kieler Landtag vertreten sind. Glückliche Gesichter auch bei der SPD: Ministerpräsidentin Heide Simonis erklärte den Trend des vergangenen Jahres gegen die SPD gestoppt. Sie kündigte Gespräche mit den Grünen über eine Fortsetzung der Koalition an. FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki wollte den Erfolg seiner Partei nicht mit der CDU-Krise in Zusammenhang bringen. Die FDP hätte vielmehr gezeigt, dass sie aus eigener Kraft wieder Wahlen gewinnen kann. Die PDS, die erstmals in Kiel angetreten war, erreichte 1,4 Prozent.

Die Wahlbeteiligung lag bei 70,2 Prozent und war damit geringer als vor vier Jahren. Damals hatten 71,8 Prozent an der Landtagswahl teilgenommen. klh

Tagesthema Seite 3