Globalisierter Irrsinn mit McDonalds-Flair

■ Die Vorschau: Ignacio Ramonet, Herausgeber der Monatszeitschrift „Le Monde Diplomatique“, hält morgen in Bremen einen Vortrag über die Folgen der Globalisierung

Ein Mensch, dem es gelingt, in einem Satz die Mafia, Fundamentalismus, den Treibhauseffekt, Finanzspekulationen, den Ebola-Virus, Aids, die Flüchtlingsproblematik und noch zwei bis fünf andere Probleme dieser Welt in einen sinnvollen Zusammenhang zu stellen, verdient ungebremsten Respekt seitens des Lesenden. Ignacio Ramonet ist in dieser Disziplin geradezu ein Virtuose. Allmonatlich demonstriert er in seiner Funktion als Herausgeber auf der Titelseite der (auch der taz beiliegenden) internationalen Monatszeitschrift „Le Monde Diplomatique“, dass in dieser verrückten Welt letztlich alles mit allem zusammenhängt und am Ende zumeist Amerika seine Finger im Spiel hat.

Im Deutschland der 90er Jahre hätte man sich mit dieser Haltung nicht nur vom Amerika-Pfroind Kohl längst den Vorwurf des kruden Antiamerikanismus eingehandelt. In Frankreich aber, wo Ramonet an der Pariser Universität Denis-Diderot einen Lehrstuhl für audiovisuelle Kommunikation innehat, hat man weitaus weniger Bedenken, soziale Konflikte als Ausdruck geopolitischer Strategien von Großmächten zu deuten.

In seinem 1997 veröffentlichten Buch „Géopolitique du chaos“, das in deutscher Übersetzung den eher unglücklichen Titel „Die neuen Herren der Welt“ trägt, analysiert Ramonet den neuen und einzigartigen Hegemonialstatus der Vereinigten Staaten, der sich als Folge des Niedergangs der Sowjetunion ergeben hat. Zum Beginn des neuen Jahrtausends kontastiert Ramonet ein weltweites politisches Durcheinander. Der zunehmende Verlust der Einflussmöglichkeiten nationaler Regierungen wird begleitet von einer rasanten Ausweitung der Macht der Konzerne, die ihrerseits einer schwindenden demokratischen Kontrolle unterliegen.

Die Folgen dieser Entwicklung: Nicht die Proletarier, sondern die ultraliberalen Finanzstrategen aller Länder vereinigen sich, während der aus diesem Prozess resultierende Druck auf die Nationalstaaten sich zunehmend in der Gestalt fundamentalistischer und sektiererischer Bewegungen entlädt. Über allem thront die verbliebene Supermacht USA, die dieser Entwicklung, insoweit sie gemäß ihrer Hegemonialinteressen verläuft, die militärische Absicherung verleiht und mittels ihrer Global Player McDonalds, Microsoft und Hollywood dafür sorgt, dass die Absatzmärkte des American Way of Life sich stetig ausweiten. Manchmal, etwa in Haiti oder Bosnien, führt das sogar zu Demokratisierungsprozessen. Doch zumeist bleibt entscheidend, ob die USA ökonomischen und geostrategischen Nutzen erwarten kann.

Der Reiz der Ramonet'schen Analysen liegt in der Selbstverständlichkeit, mit der er selbst entlegenste ökonomische, ökologische, politische und kulturelle Phänomene zu einem durchaus schlüssigen Gesamtbild verknüpft. Ein bisschen Verschwörungstheorie, ein Schuss Katastrophenszenario und immer wieder der Hinweis darauf, dass sich Europa als politisches Gegengewicht etablieren und die internationalen Regulierungsinstanzen wie die UNO stärken muss, durchziehen Ramonets Interventionen. Freilich ist derart großformatigen Welterklärungsformeln nicht selten eigen, dass sie sich als brüchig erweisen, wenn man ins Detail geht. An die Stelle des Beweises tritt dann häufig die bloße Vermutung. Und unübersehbar ist, dass Ramonet sich schwer tut, das konstatierte Chaos auch als Ausdruck unkoordinierter, zufälliger und offener Prozesse zu begreifen, in der nicht eine große Supermacht die Fäden in der Hand hat. Doch unbestreitbar ist, dass geopolitische Gesichtspunkte politische Entscheidungen in einem stärkeren Maße prägen, als es die politische Mode in Deutschland zurzeit für möglich hält. Franco Zotta

Der vom Instituto Cervantes organisierte Vortrag „Die geopolitischen Umwälzungen am Anfang des 21. Jahrhunderts“ findet statt am 1. März, 20 Uhr, im Kultursaal des Instituto (Schwachhauser Ring 124). Der Eintritt ist frei. Ramonet hält den Vortrag in spanisch. Für das Publikum liegt eine Übersetzung vor, für die Debatte steht ein Dolmetscher zur Verfügung