Innensenator macht kleinen Rückzieher

■ Aus 500 ermittelten Ausländern mit illegaler Identität wurden gestern 181 / Der Rest sind lediglich reine Verdachtsfälle / Und davon dürften viele noch in den Windeln liegen

Organisierter Asylmissbrauch. 500 Asylbetrüger in Bremen. Solche Schlagzeilen zirkulierten übers Wochenende bundesweit. Gestern informierte das Bremer Innenressort bei einer Pressekonferenz schließlich ein wenig genauer über den Sachverhalt, der zuvor in den Medien lanciert worden war.

„Über 500 Ausländer mit illegaler Identität ermittelt“, so der Titel der offiziellen Pressemitteilung von Innensenator Bernt Schulte (CDU) noch zu Beginn der Konferenz. Doch keine 15 Minuten später war klar: Die hohe Anzahl von ausländischen BetrügerInnen, die mit falschen Angaben Asylverfahren anstrengten und derweil von Sozialhilfe lebten, trifft so nicht zu. Zudem dürften viele der Betrüger noch in den Windeln liegen; es handelt sich um kinderreiche Großfamilien. Ebenso zu weit geht der umlaufende Vorwurf vom „organisierten Asylmissbrauch“. „Sie kamen in Familien organisiert“, so die behördliche Antwort auf eine entsprechende Nachfrage. Und: „Es handelt sich um insgesamt 500 Verdachtsfälle.“ Davon stehe für 181 Personen, deren Asylanträge bereits abgelehnt seien, „ohne Zweifel“ fest, dass sie falsche Angaben zu ihrer Herkunft und Staatsangehörigkeit gemacht haben.

Anders als im Asylverfahren angegeben, sollen die betreffenden Personen nicht wie behauptet aus dem Libanon stammen – sondern aus der Türkei. „Aus Dörfern in Süd-Ost-Anatolien“, so der Sprecher der Bremer Innenbehörde, Hartmut Spiesecke. „Die haben den Libanon noch nie gesehen.“ Dafür spreche auch die Tatsache, dass sie – zwischen 1986 und 1992 – mit türkischen Papieren nach Deutschland eingereist seien, wo sie nach einem ersten Asylantrag untertauchten, um später andernorts als kurdische Libanesen ein neues Verfahren zu starten. Offenbar in der Annahme, auch nach Ablehnung nicht in den Libanon abgeschoben werden zu können.

Diese Ergebnisse förderte eine besondere Ermittlungsgruppe der Polizei zu Tage. Sie geht offenbar vom Einzelfall aus – um dann auf die ganze Großfamilie zu schließen. „Man ermittelt eine Person, die aus der Türkei kommt, dann weiß man, dass die fünf Brüder und Schwestern auch daher kommen“, so Behördensprecher Hartmut Spiesecke. Über die Details der Recherche schweigt die Innenbehörde. Ebenso zu Fragen nach der üblichen Migration von kurdischen Familien über Landesgrenzen hinweg. „Um weitere Ermittlungen nicht zu gefährden“, heißt es.

Warum dann aber solche Veröffentlichungen? „Das sind wir der Öffentlichkeit schuldig“, antwortet der Innensenator. Immerhin seien 24 Personen abgeschoben und der Steuerzahler geprellt worden. Beispiel: Eine Familie mit sieben Kindern habe während ihres elfjährigen Aufenthalts in Bremen mindestens 683.000 Mark Sozialhilfe bezogen. Insgesamt beliefen sich die Sozialhilfeausgaben für die betrügerischen Fälle auf eine zweistellige Millionensumme. Aber: Er sei zuversichtlich, dass die Sozialsenatorin angesichts der künftig eingesparten Millionen im Sozialhaushalt kooperieren werde.

Dies entspricht der Forderung des sozialpolitischen Sprechers der CDU, Karl Uwe Oppermann. „Wären unsere Forderungen nach verstärkter Außenermittlung gegen Sozialbetrug umgesetzt worden, wäre der Sozialkasse viel erspart geblieben.“ Für die Grünen versicherte der Innenpolitiker Matthias Güldner den Innensenator seiner Unterstützung „für die Aufklärungsarbeit in der Frage der vermeintlichen Asylbewerber“. Allerdings müsse für die Abschiebung der Einzelfall geprüft werden. Es handele sich um viele Frauen und Kinder, die ungefragt nach Deutschland gebracht wurden. ede

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