Werthebach: Antifa heißt Terror

■ Der Innensenator schafft sich seine Kriminellen selbst. Für den CDU-Politiker ist der Begriff „Antifa“ nur ein Kampfbegriff, der Straftaten und Terror decken soll. Laut Polizeistatistik ist die Gewalt von links aber rückläufig

Antifaschistische Proteste gegen rechts sind für Innensenator Eckart Werthebach (CDU) ein Etikettenschwindel, genau wie einst der „Antifaschistische Schutzwall“ der DDR. „Antifa“ – das ist nach Auffassung des Senators ein Kampfbegriff der linken Szene. Er diene zur Rechtfertigung von Gewalt, Straftaten und „unzweifelhaft terroristischen Aktionen“.

Deswegen gilt beim Verfassungsschutz die Zahl jener Mitarbeiter, die sich mit dem Thema befassen, als Geheimnis. Nicht aber die Erkenntnisse der Behörde. Gestern stellte Werthebach zusammen mit dem Chef des Verfassungschutzes, Eduard Vermander, eine Broschüre vor, die sich mit „Antifaschismus als Deckmantel für Gewalt“ befasst. Tenor: Linke nutzen unter dem Schlagwort Antifaschismus „jede sich bietende Gelegenheit zur körperlichen Auseinandersetzung“. Anlass: der 67. Jahrestag der Verordnung „zum Schutz von Volk und Staat“, mit der die Nazis die Verfassung der Weimarer Republik außer Kraft setzten und zur Hatz auf Kommunisten bliesen.

Antifagruppen seien trotz ihrer Militanz als Bündnispartner anerkannt, so Werthebach. Weil sie ihre „demokratiefeindliche Zielsetzung“ und „ihre kriminelle Handlungsweise“ durch die Gegnerschaft zur Neonazi-Szene verdecken würden. Als mitgliederstärkste und aktivste Gruppe gilt dem Innensenator dabei die „Antifaschistische Aktion Berlin“ (AAB).

Zusammen mit der „Roten Antifaschistischen Initiative“ sei die Gruppe bei den Gewalttaten am 1. Mai aufgefallen. Neben legalen Aktionen gehören nach Senatorenansicht auch Straftaten bis hin zu „unzweifelhaft terroristischen Aktionen“ zum Repertoire beider Organisationen.

Merkwürdig nur, dass sich die von Werthebach beschworene Gefahr nicht in den Statistiken der Polizei widerspiegelt. 749 Straftaten von gewaltbereiten Linken haben die Beamten letztes Jahr gezählt, im Vorjahr waren es noch 794, 1997 sogar 1.148. Auch die Anzahl der Gewalttaten ist rückläufig: 259 im letzten Jahr gegenüber 273 in 1998. Die Zahlen des Verfassungsschutzes über gewaltbereite Linke liegen konstant bei 1.450, während die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten zunimmt. 1998 zählte die Behörde Vermanders noch 660, vergangenes Jahr waren es bereits 90 mehr.

Der PDS-Abgeordnete Gernot Klemm warf Werthebach gestern vor, er male „das Märchen einer linksextremen Gefahr an die Wand“. Dabei gehe die Gefahr derzeit von rechts aus – „vom braunen Mob, der Ausländer, Linke, Schwule jagt und mordet, jüdische Friedhöfe schändet und unter Trommelwirbel im Gleichschritt durch die Straßen marschiert“.

Auch die AAB verwahrte sich gestern gegen „die Diffamierung des Innensenators“, sie würde terroristische Aktionen begehen. Zugleich richtete sie einen Vorwurf an Werthebachs Partei: Mit der Kampagne „Deutschland muss in Kreuzberg wieder sichtbar werden“ suche die CDU „gezielt die Nähe zu Rechtsextremen“. Eine AAB-Sprecherin kündigte als gebührende Antwort auf die Vorwürfe des Senators an, sie werde sich „rege“ an Aktionen gegen den Nazi-Aufmarsch am 12. März beteiligen. Am Abend des Tages sei außerdem eine Demonstration gegen die neue Bundesgeschäftsstelle der NPD in der Seelenbinderstraße in Köpenick geplant.

Dirk Hempel