Null Toleranz für SPD-Polizeigesetz

Das Magdeburger Modell ist wieder einmal in der Krise.Doch diesmal ist kein Kompromiss in Sicht ■ Von Nick Reimer

„Der vom Innenminister vorgelegte Polizeigesetz-Entwurf greift die PDS in ihremProgramm substanziell an.“

Dresden (taz) – Diesmal scheint es ernst zu sein. Lokale Medien sprechen gar von der schwersten Regierungskrise in Sachsen-Anhalt seit Neuauflage des Magdeburger Modells. Hauptstreitpunkt diesmal: das neue Polizeigesetz.

Erweiterter Platzverweis, das Anbringen von Videokameras an bestimmten Orten sowie „lagebildabhängige Kontrollen“ – als Innenminister Manfred Püschel im vergangenen Herbst diese Eckpunkte seines Entwurfes der SPD-Fraktion vortrug, stimmte eine große Mehrheit zu. Auch Regierungschef Reinhard Höppner stellte sich hinter Püschels Entwurf.

In der so genannten Fünf-Plus-Fünf-Runde – eine Art Ersatz-Koalitionsausschuss, in der SPD und PDS ihre gemeinsame Politik verabreden – wurde der Entwurf dann aber wegen des Widerstandes der PDS auf die lange Bank geschoben. PDS-Landeschefin Rosemarie Hein erklärte: „Der Entwurf stößt bei uns auf glatte Ablehnung.“ PDS-Fraktionsvize Matthias Gärtner sagte: „Hier wird substanziell die PDS in ihrem Programm angegriffen.“

Manfred Püschel, der es wie andere Minister leid ist, dass Politik nicht von den Ministerien, sondern von der Fünf-plus-Fünf-Runde gemacht wird – außer Höppner ist nur die SPD-Fraktion, niemand aus der Regierung beteiligt –, drohte mit Rücktritt und zog zunächst erst einmal seinen Urlaub vor. Seit gestern ist er in Magdeburg zurück.

Regierungschef Höppner sitzt nun in der Zwickmühle. Einerseits kann er nur schwerlich auf die Integrationsfigur Püschel verzichten. Der Innenminister steht innerhalb der SPD für einen Kurs der Mitte, vermittelte aber auch immer wieder geschickt mit den SPD-Linken, die sich im Mansfelder Forum zusammengeschlossen haben. Püschel selbst hat sich mit seinem Entwurf aber so weit aus dem Fenster gelehnt, dass jegliche Abschwächung einem Gesichtsverlust des Innenministers gleichkommt.

Andererseits liegt dem Innenausschuss seit über einem Jahr ein Gesetzentwurf der CDU vor, der in wesentlichen Punkten inhaltsgleich ist mit dem von Püschel. Bislang war der CDU-Entwurf mit der Begründung auf Eis gelegt, die SPD werde einen eigenen einbringen. Innenpolitiker der SPD haben nun signalisiert, notfalls auch den CDU-Entwurf mittragen zu wollen, falls der von Püschel tatsächlich nicht ins Kabinett eingebracht wird. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Curt Becker, erklärte, seine Fraktion stehe bereit, um dem Püschel-Entwurf zu einer parlamentarischen Mehrheit zu verhelfen.

Nach den für die PDS schwierigen Haushaltsverhandlungen, bei denen die Sozialisten einige ihrer „heiligen Kühe“ zur Schlachtbank führen mussten, hatte die SPD aber zugesagt, dass Mehrheiten künftig nur noch mit der PDS im Landtag zustande kommen. Sollten die Sozialdemokraten ein Polizeigesetz mit den Stimmen der CDU durchbringen, wäre das „der Sündenfall der SPD“, wie es der parlamentarische PDS-Geschäftsführer Wulf Gallert nennt. Zwar würde das nicht automatisch das Ende des Magdeburger Modells bedeuten. „Für uns hieße das aber, dass wir Zugeständnisse der Vergangenheit zurücknehmen.“ Angesichts der anstehenden Haushaltsberatungen eine schwere Drohung.

Der Landesparteirat der SPD will diese Woche, die Fraktion am 7. März abschließend über den Püschel-Entwurf abstimmen. Heute wird sich die als „Tolerierungsstammtisch“ verspottete Fünf-plus-Fünf-Runde treffen, um die Krise zu beraten. „Wir wollen eine 40-Punkte-Liste mit Vorhaben abstimmen, die SPD und PDS in den verbleibenden zwei Jahren dieser Legislatur auf den Weg bringen wollen“, sagt Gallert. Ein neues Polizeigesetz gehört nicht dazu.

Allerdings räumte Gallert gegenüber der taz ein, dass dieses Thema auch eine Rolle spielen wird. Der SPD-Linke Norbert Bischoff, Sprecher des Mansfelder Forum, sieht „Verhandlungsspielraum“. Es werde mit der PDS „eine Kompromisslösung geben, weil das zum gemeinsam vereinbarten Stil gehört.“ Das sieht der PDS-Mann Wulf Gallert anders: „Selbst die Fachleute sagen, dass unsere Positionen so grundverschieden sind, dass es keinen Kompromiss geben kann.“ Für Gallert ist klar: „Einzig denkbar bleibt, das Polizeigesetz ganz und gar von der Tagesordnung zu streichen.“