„Einer, der Aufmerksamkeit will“

Der Kriminalbeamte Achim Labbow, der vor fünf Jahren den ersten Autobahn-Attentäter überführen half, über Täterprofil und Polizeiarbeit

taz: Herr Labbow, im Sommer 1995 konnten Sie – nach einem halben Jahr – die Fahndung nach dem Mann abschließen, der in Schleswig-Holstein von Brücken aus wiederholt Gullydeckel auf Autobahnen warf. Was war das für ein Mensch? Ein Verrückter?

Achim Labbow: Verrückt war der nicht. Das Gericht jedenfalls, das den Täter zu zwölfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilte, attestierte ihm keine Macke. Es hielt ihn für voll schuldfähig. Der Mann arbeitete im Bereich Straßenverkehr und hatte einen tierischen Frust auf Autofahrer. Die würden ihn, glaubte er, nicht für voll nehmen. Das ärgerte ihn mächtig. Als er einmal auf einer Brücke stand, kam ihm spontan die Idee, den dort befindlichen Gullydeckel abzuschrauben und von der Brücke zu werfen. Das hat er bei der Vernehmung so erzählt. Eine innerliche Befreiung habe ihm das verschafft. Der Frust sei weg gewesen. Das ging dann weiter nach dem Motto: Je mehr Frust, desto mehr Abwürfe von Gullydeckeln. Neunmal hat er zugeschlagen, bis wir ihn schnappten. Der hat eine richtige Serie hingelegt. Also kein einmaliger Amoklauf. Nur durch viel Glück gab es dabei keine Toten, sondern nur Sachschaden.

Wollte er töten?

Das hat er immer bestritten. Ich schmeiß das mal runter, um zu gucken, was passiert. – Nach der Maxime will er gehandelt haben. Der Akt der Befreiung war für ihn der Wurf mit dem Gullydeckel. Und er freute sich, wenn dann ein Auto drüberfuhr und es krachte. Natürlich hat er dabei Tote billigend in Kauf genommen. Deshalb wurde er auch hart bestraft. Vom Persönlichkeitsprofil her war das einer, der Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte.

Inwiefern?

In anonymen Schreiben an die Polizei hat er verlangt, dass wir Warnungen vor ihm in den Medien veröffentlichen. Dass er wichtig war, hat ihm zusätzlich Befriedigung verschafft. Dass er über sich etwas in der Zeitung lesen oder im Radio hören konnte. Er war der große Böse, vor dem alle Angst hatten. Das war sein Ding.

Wie haben Sie ihn geschnappt?

Wir haben Brücken gesperrt und die Gullydeckel im Bereich von Autobahnen und Schnellstraßen zuschweißen lassen. Das war sehr aufwendig – aber wirksam. Er hat uns dann wieder anonym schriftlich mitgeteilt, dass er noch über andere Möglichkeiten verfüge, Straftaten zu begehen. Wochen später zerrte er einen Schüler vom Fahrrad und erwürgte ihn fast. Er dachte jedenfalls, der Junge sei tot. Am Tatort zurück ließ er einen Zettel mit der Botschaft: „Ich kann auch anders.“ Die Zeugenaussage des Jungen, der mit Glück überlebte, hat uns dann direkt auf seine Spur gebracht.

Der oder die Täter jetzt in Darmstadt: Könnte der, könnten die ähnlich „gestrickt“ sein wie Ihr Mann damals? Könnte es sich auch um (einen) Nachahmungstäter handeln?

Eine Nachahmungstat kann man eigentlich ausschließen, fünf Jahre später. Und über das Täterprofil kann ich aus der Entfernung nichts sagen. Ich kenne keine Details. Und Vermutungen will ich nicht anstellen. Interview:

Klaus-Peter Klingelschmitt