Authentische Pubertätspein

■ Gut gespieltes, spannendes Jugendtheater mit kleinen Fehlern: Andreas Kaufmann inszeniert Rainer Hachfelds „Eins auf die Fresse“ im Theater in der Basilika

Aufgekratzte Pausenhofstimmung im Theater in der Basilika: Bei jedem Kuss gröhlt und johlt es aus den hinteren Sitzreihen. Rainer Hachfelds Jugendtheaterstück Eins auf die Fresse begeistert ganze Schulklassen – und ältere Generationen gleich mit. Dabei bietet das Thema eigentlich keinen Anlass zur Fröhlichkeit. Es geht um den Selbstmord des 14-jährigen Matze, um Erpressung und Gewalt an deutschen Schulen und desolate Familienstrukturen.

Hachfelds Stück „für Menschen ab 13“, 1996 mit dem Friedrich-Luft-Preis ausgezeichnet, ist ein echter Glücksfall. Mit überzeugenden Dialogen schaut es der Jugend wirklich aufs Maul und ins Herz hinein und nimmt Pubertätspein ernst, ohne in plumpe Schemata zu verfallen. Auch die Darsteller der Jugendlichen in Andreas Kaufmanns Inszenierung erweisen sich als gute Wahl. Obwohl sie längst nicht mehr 13 oder 14 sind, bringen sie den Habitus von Pubertierenden so treffsicher auf den Punkt, dass es nicht nur Spaß macht, ihnen zuzugucken, sondern auch Mitleidsqualen bereitet.

Bei Großmaul Lucky (Andreas Schwankl) blitzt zwischen kaltschnäuziger Attitüde immer wieder Verletzlichkeit durch, beim gutmütigen Sven (Henning Karge), von Lucky auch boshaft „Schwein“ genannt, immer mehr Trotz und Gegenwehr. Unter den Mädchen laufen ähnliche Gemeinheiten ab wie unter den Jungs – nur dass die freche Minnie (Christine Heimannsberg) ihrer braveren Mitschülerin Lana (Julia Sittmann) nicht in den Magen boxt, sondern sie an den Haaren über den Boden schleift. Dass alle vier sympathische Züge gewinnen und keiner zum alleinigen Sündenbock abgestempelt wird, ist schon eine tolle Leis-tung der Schauspieler.

Bei der Eltern- und Lehrergeneration krankt es dagegen bisweilen in puncto Glaubwürdigkeit. Kaufmann begeht den Fehler, die Schauspieler in Doppelrollen und sogar Dreifachrollen zu stecken. Leider vertraut er dabei nicht auf subtiles Spiel, sondern hantiert stattdessen über die Maßen mit Schnurrbart, Perücke und Kopfbedeckungen – was im Fall von Iris Radunz, die gleich alle Mütter darstellen muss, die Inszenierung an den Rand einer Schmierenkomödie bringt. Matzes Mutter ist das Zerrbild einer hypernervösen Spießerin mit Faltenrock und Topfhut, die wie aufgezogen einen Kinderwagen schaukelt, Lenas Mutter die Karikatur einer Putzfrau im vulgären Leoparden-Outfit.

Schade, dass durch solche Fehlgriffe dem subtilen Stück, das ansonsten tatsächlich unter die Haut geht, ein Gutteil an Authentizität genommen wird. Trotzdem: Wer spannendes, aktuelles Jugendtheater sehen will, wird hier bestens bedient. Karin Liebe

nächste Vorstellung 27. März, 20 Uhr, Theater in der Basilika