Computerspezialisten im Wartestand

■ Auch ohne Schröders „Red-Green-Card“ leben schon viele nicht deutsche EDV-Fachkräfte in Berlin.Sie jobben als Kellner, schlagen sich auf dem zweiten Arbeitsmarkt durch oder wandern frustriert wieder aus

„Unter meinen Landsleuten gibt es viele Akademiker, die die Hoffnung längst aufgegeben haben“, erzählt eine Russin

Alla Majaeva kam vor sechs Jahren als jüdische Zuwanderin aus Russland nach Berlin. Die heute 55-jährige Mathematikerin bewarb sich jahrelang erfolglos um Jobs in ihrem Fach und ließ sich dann auf eine Beschäftigung im Rahmen des Programms „Hilfe zur Arbeit“ ein. Heute hat sie bei „Dialog“, einem Verein für Zuwanderer aus den GUS-Staaten, einen Computerarbeitsplatz im Verwaltungsbereich. Befristet und auf dem zweiten Arbeitsmarkt. 30.000 Computerspezialisten aus Nicht-EU-Ländern sollen, so ein von Bundeskanzler Gerhard Schröder auf der Computermesse Cebit in Hannover präsentierter Vorschlag, demnächst eine „Red-Green-Card“ erhalten. Mit dieser speziellen Arbeitserlaubnis will der Kanzler der unter Nachwuchsmangel leidenden EDV-Branche auf die Sprünge helfen. Dabei müssten die Arbeitgeber gar nicht erst in die Ferne schweifen. Denn viele ausländische Fachleute leben bereits in Berlin, bisher allerdings mit schlechten Aussichten auf einen qualifizierten Job.

„Unter meinen Landsleuten gibt es viele Akademiker, die ihre Hoffnung längst aufgegeben haben“, erzählt Alla Majaeva. Darunter seien auch Mathematiker und Informatiker. Ihr eigener Mann etwa. Ein Mathematikprofessor würde mangels Alternativen als „Hilfe zur Arbeit“ Schülern Nachilfestunden geben.

Jüdische Kontingentflüchtlinge bekommen zwar eine Arbeitserlaubnis. Doch ihre Bewerbungen bleiben selbst in Branchen mit Fachkräftemangel erfolglos. Denn ihnen fehle der Zugang zu Qualifizierungskursen beim Arbeitsamt, die ihnen den Einstieg mental und sprachlich erleichtern würden, kritisiert Elisabeth Reese vom Flüchtlingsrat. In anderen Fällen werden nicht deutschen Spezialisten von den Behörden Hürden in den Weg gelegt.

Die Rechtsanwältin Imke Juretzka berichtet von einem Mandanten aus Kamerun, der vor drei Monaten nach Kanada weiterzog. Um den Mann, der in Deutschland Informatik studiert hat, hätten sich Computerfirmen gerissen, so Juratzka. Wegen des Fachkräftemangels erhielt er zwar eine Arbeitserlaubnis, durfte seine Frau aber erst nach langem juristischen Gezerre nachholen. „Weil seine Frau dann nicht arbeiten durfte, gab die Familie den Kampf mit den Behörden auf“, so Juretzka.

Ihr Anwaltskollege Andreas Günzler berichtet von einem polnischen Mandanten, der als Informatiker nur selbstständig, nicht aber als Arbeitnehmer jobben darf. „Mein Mandant hat in Köln Informatik studiert und durfte lediglich hier bleiben, weil es Bürgern aus dem EU-Beitrittskandidatenland Polen nicht verwehrt werden darf, hier ein Gewerbe anzumelden“, erklärt der Anwalt.

Auch unter vietnamesischen Wochenmarkthändlern und Kellnern in Chinarestaurants gibt es viele in der DDR ausgebildete Informatiker. Anfang der 90er-Jahre bekamen sie nur eine Arbeitserlaubnis für unterqualifizierte Jobs, für die sich damals keine deutschen Bewerber fanden. Jetzt dürften sie zwar als Informatiker arbeiten, aber ihre Qualifikation ist nicht mehr so ohne Weiteres abrufbar. Und als Selbstständige oder Scheinselbstständige haben sie keinen Zugang zur Fortbildung durchs Arbeitsamt.

Asylbewerber dürfen weder arbeiten noch sich fortbilden. Salem Seyam, ehemaliger palästinensischer Asylbewerber, macht sich jetzt Hoffnung auf eine Fortbildung als Fachinformatiker: Er hat eine Deutsche geheiratet. Vor zwei Jahren hatte er noch aus ausländerrechtlichen Gründen sein Studium als Feinwerktechniker abbrechen müssen. Seit der Heirat hat sich der 30-Jährige zwei Mal um einen Kurs beim Arbeitsamt beworben. Obwohl ihm der Bildungsträger eine fachliche Eignung bescheinigte, war er beim ersten Mal als nicht bevorrechtigt abgelehnt worden. Die erneute Entscheidung fällt in den nächsten Tagen.Marina Mai