Reality-TV im Neuköllner Sozialamt

Bezirksamt prüft die Videoüberwachung in den Amtsstuben

Die Räume des Bezirksamtes Neukölln werden in Zukunft möglicherweise per Videokameras überwacht. Einem entsprechenden Prüfauftrag hat die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) auf Antrag der CDU zugestimmt. Die Christdemokraten hatten die Überwachung mit wiederholten Übergriffen auf Mitarbeiter des Amtes begründet. Besonders die Klientel des Sozialamtes zeichne sich durch „tätliche Bedrohungen und Verbalinjurien“ aus, erklärt Robbin Juhnke, Vorsitzender der CDU-Fraktion in der BVV.

Bis zum 31. Juli soll das Bezirksamt nun einen Prüfbericht erstellen. Bisher gibt es keine konkreten Vorstellungen über die Ausgestaltung der Überwachung. „Meiner Meinung nach kann es nur um die Gänge gehen“, betont Juhnke, „vielleicht auch noch um den Tresenbereich.“ Eine Überprüfung der Mitarbeiterleistung müsse ausgeschlossen sein.

Die Grünen enthielten sich bei der Abstimmung. „Die Klientel auf dem Amt ist sehr problematisch“, weiß auch Hans Schulze, sozialpolitischer Sprecher der Neuköllner Grünen. Doch er bezweifelt, dass Videokameras gegen Handgreiflichkeiten oder Beleidigungen helfen können. „Wenn eine Mitarbeiterin Übergriffe auf dem Monitor sieht, soll sie dann rausstürmen und dazwischengehen?“, fragt Schulze.

Auch die Datenschutzbehörde stellt den Erfolg von Videokameras in Frage. Zudem sei die Überwachung eine rechtlich unzulässige Veränderung der Arbeitssituation, betont Volker Brozio, Sprecher des Landesdatenschutzbeauftragten: „Nur eine Anlass bezogene Aufzeichung ist denkbar.“ Ein Mitarbeiter müsste ständig die Monitore überwachen und dürfte ausschließlich kriminelle Handlungen auf Band speichern. Die Aufzeichung von Endlosbändern sei verboten, werde aber als mögliche Maßnahme gegen kriminelle Handlungen immer häufiger diskutiert, bemängelt Brozio.

In anderen Bezirken ist die Videoüberwachung der Amtsflure offiziell noch kein Thema. Inoffiziell aber könne man schon davon munkeln hören, weiß ein Mitarbeiter des Bezirksamtes Spandau. Allerdings schrecken die hohen Kosten und die rechtlichen Unklarheiten. Zudem müsste der Personalrat zustimmen. Der aber weiß selbst in Neukölln bisher nur durch die Presse von dem Vorhaben. „Wir können uns nicht vorstellen, dass das durchkommt“, so ein Sprecher der Neuköllner Mitarbeitervertretung.

Das hofft auch die Datenschutzbehörde. Am 2. März wird der Datenschutzbeauftragte seinen Jahresbericht der Öffentlichkeit vorlegen. Schwerpunktthema: Videoüberwachung – Allheilmittel oder Einschränkung der Freiheitsrechte? Franziska Reich