Musicals, Marktführerschaft etc.
: Rotierende Katzen

Schwenkows Pläne für die Stella AG

Peter Schwenkow ist schon die richtige Wahl gewesen. Immerhin übernimmt nun ein gebürtiger Hamburger die hanseatisch geprägte Musicalmassenproduktionsfirma Stella AG, auch wenn es den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Entertainment AG (Deag) bereits mit 22 Jahren nach Berlin zog. Inzwischen führt der Kaufmannssohn nach der Übernahme der Stella den größten Anbieter von Live-Entertainment zumindest Kontinentaleuropas.

Die Deag soll in diesem Jahr einen geschätzten Umsatz von 500 Millionen Mark erreichen, was einer Steigerung um etwa 100 Prozent entspräche. Wiederum dank der Übernahme der Stella. Der prognostizierte Gewinn soll bei 8 Millionen Mark liegen. Bei dem „Versuch, das Unternehmen Stella in die Zukunft zu führen“, so Schwenkow, hilft der Deag insbesondere das seit dem vergangenen Jahr gültige Insolvenzrecht. Dieses erlaubt dem übernehmenden Unternehmer, alle Verträge neu zu verhandeln, die als nicht marktgerecht gelten. An dieser Stelle kann Schwenkow viel Geld sparen: Die früheren Besitzer der Stella stellten sich sowohl bei den Verhandlungen um die Lizenzgebühren der Stücke wie auch bei den Mietvereinbarungen für die Immobilien dämlich an. Allein hier hofft Schwenkow 30 Millionen einzusparen.

Dem Stella-Gründer als auch -Totengräber Rolf Deyhle und auch seinen Nachfolgern war es offenbar wichtiger, lange Laufzeiten auszuhandeln und Immobilien wie das Operettenhaus auf der Reeperbahn lieber teurer, aber dafür sicher anzumieten, als realistisch zu kalkulieren, wie lange ein Musical an einem Standort gespielt werden kann. Hier will nun die Deag ansetzen. Das Gerede vom Niedergang der leichtesten aller Musen sei falsch, ist sich Schwenkow sicher: „Ein Musical funktioniert, wenn es das richtige Produkt ist.“ Und, möchte man hinzufügen, wenn es korrekt vermarktet wird. Allerdings will der 46-Jährige nicht mehr auf die Unendlichkeit setzen: „Jeder Hamburger will irgendwann einmal den Michel besuchen, und jeder will einmal in ,Cats‘ “, vergleicht Schwenkow zwei Attraktionen der Hansestadt, „nur wird es ,Cats‘ nicht ewig geben.“

Die Deag hat die Stella vor der Übernahme rund vier Wochen lang gründlich unter die Lupe genommen und ausführlich Marktforschung betrieben. Am Ende stellten die Berliner fest, dass die Lösung Rotation und Konzentration heißt. Wenn ein Musical an einem Standort nicht mehr so richtig läuft, wird es dorthin versetzt, wo Zuschauerpotenziale vermutet werden. Das könnte dann so aussehen: „Cats“ zieht nach Berlin um, „Der Glöckner von Notre Dame“ wird dann in Stuttgart gespielt, und in Hamburg wird dafür die in der Schwabenmetropole gefloppte „Miss Saigon“ noch einmal probehalber aufs Programm gesetzt. Nach vier Jahren wird dann wieder gewechselt, und die ganze Republik kann sich an allen Stücken, die Stella so unter Vertrag hat, freuen. Die ganze Republik? Nein, nicht die ganze. Auf vier Standorte wolle man sich konzentrieren, verriet Schwenkow. In Hamburg, Bochum, Berlin und Stuttgart sollen insgesamt fünf Musicalbetriebsgesellschaften gegründet und damit die aufgedunsene Struktur von Stella „verschlankt“ werden. Daraus spricht, dass die Aufführungen in Essen und Duisburg nicht mit ins Portefeuille übernommen werden.

Verschlankung, Synergien, Kernkompetenz, Unique Selling Promise, Verbesserung des Service – all diese Schlagworte fallen, wenn es um die Sanierung der Stella AG geht. Denn letztlich ist das Trachten der Deag darauf gerichtet, für ihre Aktionäre eine gute Rendite und, noch besser, Kursgewinne am neuen Markt zu erreichen.

Der Weg dahin ist ziemlich egal. Wenn es etwas bringen würde, die Eingangshallen der drögen Musicalschuppen von Zirkus-Roncalli-Designer Bernhard Paul umbauen zu lassen, um die Atmosphäre „sinnlicher“ oder „gemütlicher“ zu machen und damit mehr Sekt zu verkaufen – Schwenkow würde es tun. Ach so, das ist schon in Planung? Aber einmal muss in diesem Artikel doch das Zauberwort mit K auftauchen. Nur: mit Kultur haben Schwenkows Bemühungen allenfalls am Rande zu tun. Eberhard Spohd