Die deutsche Balkanwährung

In den meisten Ländern Exjugoslawiens ist die Deutsche Mark offizielle Währung. Die Einwohner wollen keinen Euro haben, sondern die Mark behalten ■ Von Erich Rathfelder

Sarajevo (taz) – Mit gemischten Gefühlen betrachten die Menschen in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien die Einführung des Euro. Sie haben sich seit über einem Jahrzehnt an die harte deutsche Währung gewöhnt. Der Wegfall der D-Mark wird in Sarajevo, in Priština oder Split, sicherlich sogar in Belgrad bedauert werden. Denn die meisten Ersparnisse von Kroatien bis Serbien sind in der deutschen Währung angelegt.

Die Überweisungen der jugoslawischen Gastarbeiter brachten schon seit 1960 die deutsche Währung ins Land, die sich dann in den Achtzigerjahren zur dominanten Währung entwickelte. Als 1988 der jugoslawische Dinar in den Keller sank und die Inflation die Ersparnisse auffraß, flüchteten viele Geldbesitzer in die Mark. Schon lange vor dem Krieg wurden viele der Preise in Geschäften und Kaufhäusern in D-Mark ausgezeichnet, das Misstrauen in den Dinar blieb tief verankert. Mit dem Krieg wurde die Tendenz verstärkt. In Kroatien, das 1991 zunächst einen Ersatz-Dinar benutzte, wurde zwar die Ende 1993 eingeführte Währung Kuna offiziell alleiniges Zahlungsmittel, wer jedoch ein Haus kaufen, den Rechtsanwalt bezahlen oder die Bürokratie bestechen will, muss bis heute auf die Mark zurückgreifen.

In dem vom Krieg am meisten getroffenen Staat, Bosnien-Herzegowina, dagegen war die Mark während des Krieges fast das alleinige Zahlungsmittel. Es gab zwar bosnische Dinar. Doch dieses Geld wurde im belagerten Sarajevo im Wert an die Mark gekoppelt, 100 Dinar entsprachen einer Mark. Der bosnische Dinar diente vor allem als Wechselgeld. In den Enklaven, wie etwa in Bihac, wurden damals eigene DM-Scheine gedruckt – die heute über einen hohen Sammlerwert verfügen. Nach dem Abkommen von Dayton regierte die Mark unumschränkt in Bosnien. Es existierte zwar in den serbischen Gebieten auch noch der jugoslawische Dinar, in den kroatischen die Kuna, die Geschäfte wurden jedoch in Mark abgewickelt.

1997 führte der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft eine gemeinsame bosnische Währung ein: die Konvertible Mark (KM), die sich zum Erstaunen aller gut hält und inzwischen mehr Vertrauen genießt als Kuna und Dinar. Das hat auch damit zu tun, dass eine KM exakt einer Mark entspricht. In der Praxis wird in Cafés und Geschäften mit KM und Mark bezahlt, auf einen KM-Schein wird umstandslos das Wechselgeld in Mark herausgegeben oder umgekehrt.

Auch im Kosovo ist die Mark das übliche Zahlungsmittel, sogar mit Beschluss der UN-Verwaltung. Die albanische Bevölkerung benutzt seit langem lediglich die deutsche Währung. Dies war schon vor dem Einmarsch der Nato so – kein Albaner konnte Geld auf einer serbischen Bank anlegen, ohne Gefahr zu laufen, sein Guthaben zu verlieren. Deshalb wurden die Mark-Scheine wie auch Gold buchstäblich in den Strümpfen gespart. Dieses Geld wurde dann zum großen Teil leichte Beute für die serbischen Freischärler.

Nicht nur wegen dieses Zustroms von Millionen Mark ist die deutsche Währung auch in Serbien populär. Trotz eines Devisengesetzes, das den Besitz von Mark einschränkt und den jugoslawischen Dinar als Währung im Umlauf hält, werden alle größeren Geschäfte auf Mark-Basis abgewickelt. Die Inflation des Dinar verstärkt diese Tendenz. Die Regierung Montenegros hat daraus die Konsequenz gezogen und Ende des vergangenen Jahres die Mark zur offiziellen Währung erklärt und sich damit währungspolitisch von Serbien abgesetzt – trotz der Proteste aus Belgrad.

Was geschieht aber, wenn der Euro kommt? Für Kroaten, Bosnier, Albaner, Montenegriner und Makedonier werden sicherlich offizielle Möglichkeiten des Umtauschs angeboten werden. Sollte die Herrschaft Milošević’ in Serbien weiter bestehen, wird dort jedoch lediglich der Schwarzmarkt zur Verfügung stehen – zum Nutzen der Mafia.

Viele Albaner und Montenegriner wollen gar die Mark behalten. Sicher ist, die Konvertible Mark in Bosnien bleibt bestehen. Und damit die Hoffnung, Mark-Nostalgiker aus Deutschland würden als Touristen kommen. Zusammen mit billigen Preisen ein verlockendes Angebot. Das Vertraute wird dann in den deutschen Ohren klingen: „Ein Bier, zwei Mark bitte.“