Hilfsorganisationen verlassen Südsudan

Sie wollen sich nicht mehr von Sudans SPLA-Rebellen abzocken lassen. Jetzt sind 1,5 Millionen Menschen auf sich gestellt

Nairobi (taz) – Dreizehn Hilfsorganisationen haben sich gestern aus dem Südsudan zurückgezogen, nachdem eine von der dort herrschenden Rebellenbewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung) gesetzte Frist ablief, eine neue Vereinbarung über ihre Arbeitsbedingungen zu unterschreiben. Dadurch wurden medizinische Hilfe, Impfprogramme und Nahrungsmittelhilfe für rund 1,5 Millionen Menschen gestoppt. In einer gemeinsamen Erklärung forderten die Organisationen gestern die SPLA auf, neue Verhandlungen aufzunehmen. Deren Verantwortliche wollten gestern keine Stellungnahme abgeben, aber Elija Malok, der für humanitäre Hilfe zuständige SPLA-Direktor, sagte nach UN-Angaben: „Die Menschen im Südsudan haben von der Hilfe profitiert, aber sie werden für den Abzug Verständnis haben.“ Bis zuletzt hatten Vertreter der internationalen Gemeinschaft vergeblich mit SPLA-Chef John Garang verhandelt.

Die Hilfsorganisationen – unter ihnen „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF), die Friedensnobelpreistäger des vergangen Jahres und die großen US-amerikanischen Organisationen Care und World Vison – sagen, dass durch die geplante Vereinbarung die Prinzipien humanitärer Hilfe, unabhängig und neutral zu arbeiten, verletzt würden, weil es in der Präambel heißt, die Hilfe solle „im Einklang mit den Zielen der SRRA“ verteilt werden. Die SRRA ist der humanitäre Flügel der SPLA. Außerdem sieht die Vereinbarung vor, dass die Organisationen SRRA-Beschäftigten erlauben „dürfen“, ihre Funkgeräte und Fahrzeuge zu benutzen, und Gebühren für die Registrierung von Personal und Ausrüstung sowie für deren „Sicherheit“ bezahlen sollen. Unter der Hand sprechen die Hilfsorganisationen mit Sitz in Nairobi deshalb von Nötigung.

Der Streit schwelt mindestens seit der Hungersnot vom Sommer 1998 in der Provinz Bahr-El-Ghazal. „Auch nach fünfmonatigen Hilfslieferungen waren noch mehr als die Hälfte der Kinder in Ajiep, dem Zentrum des Hungers, unterernährt, und es wird geschätzt, dass in dieser Zeit dort mindestens 3.000 Menschen gestorben sind“, hieß es im MSF-Jahresbericht 1999. Schuld daran gewesen sei die „ungestörte Abzweigung der Nahrungshilfe durch die Rebellenbewegungen und ihre humanitären Flügel“.

Eine andere Praxis der SPLA ist es, von den Hilfsorganisationen zu verlangen, ihre Beschäftigten in sudanesischer Landeswährung zu bezahlen. Die muss dann bei der SRRA zu einem stark überteuerten Kurs umgetauscht werden. Eine Organisation, die nicht namentlich genannt werden will, hat dadurch monatliche Mehrkosten von umgerechnet 40.000 Mark.

Peter Böhm