Im südlichen Balkan stehen die Zeichen auf Krieg

In Südserbien hat sich eine Nachfolgeeinheit der UCK formiert. Die KFOR ist alarmiert

Berlin (taz) – Rechtzeitig zum Beginn des Frühjahrs wachsen die Spannungen auf dem südlichen Balkan wieder. In den Albanergebieten Südserbiens, dem so genannten Ostkosovo, hat sich eine bewaffnete albanische Truppe gebildet, an den Grenzen Montenegros zu Albanien sind Truppen der jugoslawischen Armee aufgetaucht, und in der serbischen Provinz Vojvodina fordern politische Vertreter der Region mehr Eigenständigkeit.

Täglich werden Übergriffe auf Serben im Kosovo bekannt. Mit Sorge betrachten die Kommandeure der KFOR die Entwicklung in Ostkosovo, das zu Serbien gehört, aber von rund 200.000 Albanern bewohnt ist. Dort wurde eine Nachfolgeorganisation der UÇK gegründet, die UCPMB, die Befreiungsarmee von Presovo, Medvedja und Bujanović – die drei wichtigsten Orte dieser Region.

Angeführt wird die Truppe von einem ehemaligen UÇK-Kommandeur, Emrosh Xhemajli. Sie soll über mehrere hundert Mann verfügen. Schon kommen Flüchtlinge aus dieser Region nach Kosovo, vor allem in die Stadt Gniljane. Käme es in dieser Region zu bewaffneten Auseinandersetzungen, könnte es zu einer Massenflucht der albanischen Bevölkerung nach Kosovo kommen.

Um Kämpfe dort zu vermeiden, hat die KFOR, vor allem aber auch der Oberbefehlshaber der amerikanischen Nato-Truppen in Europa, General Wesley Clark, starken Druck auf die albanische Führung unter Hashim Thaci ausgeübt. Thaci musste sich schon letzte Woche von der UCPMB distanzieren. Nach Informationen aus der Umgebung Thacis habe Clark den Albanern deutlich zu verstehen gegeben, dass bei einem Krieg in Ostkosovo nicht mit Unterstützung des Westens zu rechnen sei.

In der albanischen Öffentlichkeit hofft man, dass es Thaci gelingen wird, die Heißsporne der UCPMB an die Leine zu legen. Unruhen in Ostkosovo könnten das gespannte Verhältnis der internationalen Gemeinschaft zu den Albanern des Kosovo noch verschlechtern, wird befürchtet.

Unterdessen kommt es nach wie vor zu gewaltsamen Zwischenfällen im Kosovo selbst. Der serbische Arzt Josef Vasić wurde am Wochenende in Gniljane erschossen. Ein serbischer Bus fuhr am Montag im nördlichen Teil der Stadt Mitrovica auf eine Mine, verletzt wurde niemand. Trotz der Durchsuchungsaktion der KFOR im Nordteil der Stadt bleiben die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen bestehen. Die Albaner werfen den französischen KFOR-Truppen vor, nicht konsequent vorgegangen zu sein. Weiter wird gefordert, die Teilung der Stadt aufzuheben. Demgegenüber sehen die Serben in dem Anschlag auf den Bus ein Zeichen, dass die Albaner die Vertreibung der Serben aus dem Kosovo anstreben.

Um die Spannungen zu verringern und die Wirtschaft zu konsolidieren, hatte die Führung der aufmüpfigen Teilrepublik Jugoslawiens, Montenegro, die Öffnung der Grenzen nach Albanien beschlossen. Seit Dienstag jedoch haben Soldaten der jugoslawischen Armee an den Straßen zur Grenze hin Kontrollpunkte eingerichtet und damit die Maßnahme der Regierung in Podgorica wirkungslos gemacht. Regierungsvertreter sprachen in der Hauptstadt Montenegros von einer Provokation Belgrads. Die Aktion, so befürchten Beobachter in der Region, könnte der Vorbote einer größeren Militäraktion der jugoslawischen Armee in Montenegro sein.

Schon seit Monaten halten sich Gerüchte, wonach Belgrad in diesem Frühling die volle Kontrolle über Montenegro anstrebt. Dies befürchten auch Politiker der Vojvodina. Die von 2 Millionen Menschen – 70 Prozent Serben, 15 Prozent Ungarn und 20 Prozent andere Nationalitäten – bewohnte Provinz soll nach dem Willen der politischen Führung mehr Autonomie erhalten. Erich Rathfelder