Berlin attackiert USA

Regierung riskiert einen Grundsatzstreit um Koch-Weser

Berlin – Die Bundesregierung unterstellt den USA eigensüchtige Motive im Streit um die Besetzung des Chefpostens beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Es gehe nicht an, dass der IWF als „Vorfeldorganisation einer Supermacht“ behandelt werde, sagte gestern ein hochrangiger Regierungsvertreter der taz. US-Präsident Bill Clinton hat Einspruch gegen den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Caio Koch-Weser, eingelegt, obwohl dieser der Kandidat der Europäischen Union für den Posten ist.

Hinter der Auseinandersetzung um Koch-Weser stehe ein Grundsatzkonflikt um die Rolle der Europäischen Union in einer amerikanisch dominierten Welt, hieß es in Berlin. „Die Europäer wachsen zusammen und müssen sich jetzt global behaupten“, sagte der Insider. Gleichzeitig verteidigten die USA ihre Vormachtstellung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Der Konflikt „mußte so kommen, weil sich das ganze Verhältnis Europa/USA neu schüttelt.“

Koch-Weser „ist kein Wallstreet-Mann, das ist wahr“, wird in Berlin eingeräumt. Nach Ansicht der Bundesregierung sind die Einwände gegen die Person des Deutschen allerdings vorgeschoben. Die USA hatten ihm wechselnd fehlende Stärke und eine zu große Nähe zur mehr entwicklungspolitisch orientierten Weltbank vorgeworfen, wo Koch-Weser Vizepräsident war. Jetzt seien die Amerikaner überrascht, wie sehr ihre Ablehnung Koch-Wesers die europäischen Staaten zusammengeschweißt hätte. Kurz nach dem Einspruch des amerikanischen Präsidenten hatte die EU demonstrativ den Deutschen auch offiziell als ihren Kandidaten beim IWF nominiert. „Ich glaube, die USA haben sich verkalkuliert“, sagte der Kenner der Verhandlungen zwischen beiden Seiten. Die Bundesregierung sei „absolut“ überrascht gewesen, es habe seitens der Amerikaner „keine Indizien“ gegeben, dass sie Koch-Weser ablehnen würden. Die frühzeitige Kritik des US-Finanzministers Lawrence Summers an Koch-Weser wird in der Bundesregierung als „persönlich motiviert“ abgetan. Summers hatte sich selbst Hoffnungen auf den IWF-Posten gemacht.

Für den heutigen Donnerstag ist am IWF-Sitz in Washington eine geheime Probeabstimmung im Exekutivrat der Organisation vorgesehen. Überraschend war für die IWF-Spitze auch der stellvertretende IWF-Direktor Stanley Fischer aus den USA nominiert worden sowie der Japaner Eisuke Sakakibara. Die Deutschen halten den Amerikaner für einen Zählkandidaten, der nur den Widerstand der USA gegen Koch-Weser ausdrücken soll. Patrik Schwarz