Ein Traum von Falk

Zu harmlos: „Mr. Peters' Connections“ von Arthur Miller in den Kammerspielen  ■ Von Ralf Poerschke

Es ist wie verhext: Andauernd muss ich an Peter Falk denken. Wie er so etwas sagenhaft Tragikomisches gesagt hätte wie: „In letzter Zeit stehe ich oft mitten in einem Raum und kann mich nicht erinnern, was ich da wollte. Also muss ich mir einen Grund ausdenken.“ Oder wie er mitten im Gespräch seinen Gegenüber fragt: „Sagen Sie mal, schlafen Sie? Ich frage bloß, weil ich gerade das Gefühl habe, dass ich vielleicht wach bin?“ Dieser schiefgelegte Kopf, diese mal unendlich klug, mal unendlich müde blinzelnden Augen, diese ruhig sprechenden Gesten, die sekundenlang einfrieren können, und der obligatorische Griff an Stirn und Nasenwurzel.

Peter Falk, der weltberühmte „Inspector Columbo“, spielte die Titelrolle in der Uraufführung von Arthur Millers neuem Stück Mr. Peters' Connections am New Yorker Signature Theatre im Mai 1998 – nach sage und schreibe 27-jähriger Bühnenabstinenz. Freilich eine Paraderolle mit ihrer Idealbesetzung:Ein Mann an der Schwelle des Vergessens, gequält von Gedächtnislücken, die Welt zieht lärmend an ihm vorbei, ohne dass er verstünde, wohin die Reise geht, und die Erinnerungen an seine Zeit als Kampfflieger im Zweiten Weltkrieg und als PanAm-Kapitän verschaffen ihm nur vorübergehende Linderung seines Absenceleidens an der unbegreifbaren Gegenwart. Dass Millers unauflösbar zwischen Traum, Realität und Totenbeschwörung oszillierendes Spiel mit dem Hauptdarsteller steht und fällt, ist nicht ganz richtig, aber eben fast.

In der europäischen Erstaufführung an den Hamburger Kammerspielen spielt Uwe Friedrichsen den Mr. Peters – eine schönes Geschenk zum 65. Geburtstag. Allerdings muss man wohl sagen: zum 70. oder 75. wäre es noch weitaus schöner ausgefallen (Falk war 71, als er die Rolle spielte). Natürlich ist es keine Frage, dass der Bundesverdienstkreuzträger seinen Mr. Peters sehr stimmig, mit einer wohlüberlegten Mischung aus Humor und Ernst anlegt. Friedrichsen steigert noch die Fallhöhe der Figur, indem er in entrückt glücklichen Momenten muntere Tänzchen aufs Parkett legt oder von jungenhaften Lachanfällen geschüttelt wird – in Ausbrüchen von Verzweiflung kehrt er die Amplitude dann entsprechend um. Und hier steckt gleichzeitig das Problem des ganzen Abends: Friedrichsen agiert zu lebhaft, zu direkt. Wenn er sagt: „Ich bin so erschöpft“, dann tut er das mit kämpferischer Anklage – und eben nicht erschöpft. Oft trachtet er danach, zu erklären, was in Peters vorgeht, anstatt einfach melancholische Fragezeichen in den Raum zwischen ihm, seinem Text und den Zuschauern zu setzen.

Regisseur Horst Königstein bleibt dagegen in seiner Deutung der Vorkommnisse in diesem verlassenen Nachtclub offen; das Traumfigurenkabinett umschwirrt in der Regel sehr handfest Mr. Peters; die Differenzierung der Realitätsebenen ist nicht trennscharf, eine Struktur ist mit Lichtwechseln nur locker skizziert. Dieser Ansatz ist ebenfalls wohlüberlegt, allein passt er nicht zum Spiel von Friedrichsen. Derart unentschieden, kratzt die Inszenierung letztendlich nur an der Oberfläche des brillanten Miller-Textes, wirft sich auch zu sehr auf die unterhaltsamen Aspekte und gerät mithin einigermaßen harmlos. Das Rätsel des Abends ist, warum sich unter den sonst durchweg guten Nebendarstellern Andreas Brucker gar in einer Doppelrolle befindet – dieser Mann gehört nicht auf eine professionelle Bühne.

noch 3. bis 5., 7. bis 12., 14. bis 19., 21. bis 26. März, 20 Uhr, Kammerspiele