Verschleppte Reformen ■ Konkurrenz bedrängt die BVG

Brechen im Berliner Nahverkehr jetzt rosige Zeiten an? Wird uns auf privaten Buslinien künftig freundliches Bordpersonal Kaffee servieren und den Weg zu gepolsterten Plätzen weisen?

Oder wird – ganz im Gegenteil – alles nur noch schlimmer, wenn die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) das hauptstädtische Liniennetz aus der Hand geben müssen? Warten wir dann wirklich stundenlang auf alte Klapperkisten, die von unkundigen Fahrern nur noch durch die Innenstadt gelenkt werden, weil sich ihr Betrieb in Lichterfelde nicht mehr lohnt?

In Wahrheit wird eine Privatisierung der Berliner Buslinien weder in den Himmel noch in die Hölle führen. Befürworter wie Gegner spielen mit gezinkten Karten. Für den Verbraucher ändert sich – gar nichts.

Durch die Verträge, die der Senat mit den Unternehmen abschließt, hat er sogar mehr Einfluss als bislang auf die oft renitente BVG. Auch der Verkehrsverbund bleibt bestehen, am einheitlichen Tarif ändert sich also nichts. Obendrein kann die Politik soziale Standards fürs Personal festschreiben. Der Vergleich mit England, wo Margaret Thatcher die Züge einst ins völlige Chaos fahren ließ, führt daher in die Irre.

In Deutschland hingegen gibt es bereits viele positive Erfahrungen. Große ländliche Gebiete zum Beispiel wären vom Schienenverkehr längst abgehängt, hätte die private Konkurrenz der Bahn nicht die Betriebskosten für Nebenstrecken im letzten Jahrzehnt drastisch purzeln lassen. Wer sich solchen Reformen verschließt, versetzt Bus und Bahn in Zeiten knapper Kassen letztlich den Todesstoß.

Doch die Frage stellt sich gar nicht mehr: Das Wettbewerbsrecht der EU zwingt das Land über kurz oder lang ohnehin, den Betrieb der Linien öffentlich auszuschreiben. Viel zu spät hat der Senat begonnen, sich ernsthaft darauf einzustellen. Jahrelang haben es zwei amtsmüde CDU-Senatoren für Verkehr und Wirtschaft versäumt, die BVG auf Trab zu bringen. Stattdessen durften die Fahrgäste die Zeche mit höheren Preisen und schlechterem Service bezahlen. Jetzt wird es auch für die Mitarbeiter eng. Schuld daran sind aber nicht übereilte, sondern verschleppte Reformen.Ralph Bollmann