Wer Worthülsen liebt,ist bei der EU richtig

Reformkommissar Kinnock legt ein enttäuschendes Weißbuch für effizientere EU-Verwaltung vor ■ Aus Brüssel Daniela Weingärtner

Seit Wochen geht Neil Kinnock, zuständiger Kommissar für die Reform der EU-Kommission, mit seinen Plänen häppchenweise an die Öffentlichkeit. Vielleicht fiel deswegen die Lektüre des am Mittwoch veröffentlichten „Weißbuch zur EU-Reform“ so ernüchternd aus. Pathetisch und nichtssagend wie die Titel mancher Kapitel sind leider auch die meisten Inhalte: „Der Herausforderung begegnen“ oder „Eine Kultur, die auf Dienstleistungen gründet“.

Dabei hat die neue Kommission unter Romano Prodi die Reform ihres eigenen Apparats von 18.000 Mitarbeitern zum Kernthema ihrer Arbeit gemacht. Über Missmanagement und Mittelverschwendung war die Mannschaft unter Amtsvorgänger Jacques Santer gestolpert. Die Neuen waren sich darüber klar, dass sie ihre eigene Bürokratie in Ordnung bringen müssen, wenn sie sich nicht bald denselben Vorwürfen ausgesetzt sehen wollen.

Mit gutem Gespür für Symbole hatte Prodi das Topthema mit wichtigen Insignien ausgestattet: Ein erfahrener Kommissar, der bereits in der alten Kommission gearbeitet hatte, ohne in die Skandale verwickelt zu sein, wurde zum Vizepräsidenten ernannt und mit der Aufgabe betraut. Gleich in den ersten Wochen machte Neil Kinnock dem Ruf des rücksichtslosen Sanierers, den er sich bei der Reform der britischen Labour-Partei in den 80er-Jahren erworben hatte, Ehre. Er erklärte, nicht mehr mit Dutzenden von gewerkschaftlichen Splittergrüppchen in der Kommission verhandeln zu wollen, sondern nur noch mit den großen Organisationen. Die Neuordnung der Generaldirektionen und Arbeitseinheiten verfügte er über die Köpfe der Betroffenen hinweg. Viele lasen morgens in der internen Dienst-Mail, dass ihr neuer Schreibtisch in einem anderen Gebäude, bei einer anderen Arbeitseinheit und mit neuem Themenschwerpunkt liege. Es gab kleinere Streiks, die aber im Sande verliefen.

Ob derartig düpierte Mitarbeiter bereit sein werden, sich auf völlig neue Managementmethoden einzulassen, ist fraglich. Das im Weißbuch an vielen Stellen begeistert eingesetzte Schlagwort ABM – activity based management – wird Worthülse bleiben, wenn die Mitarbeiter nicht motiviert werden können, es umzusetzen. Denn es beinhaltet hauptsächlich die Anforderung, dass jeder Beamte ständig selbst kontrollieren soll, ob er seine Arbeitskraft und das Geld der Steuerzahler wirkungsvoll einsetzt.

Sollte sich trotz verstärkter Fortbildung, leistungsgerechter Bezahlung und Leitungsjobs auf Probe die nötige Effektivität nicht einstellen, hat Kinnock die Notbremse schon eingebaut. Nach einer Erprobungszeit von zwei Jahren werde geprüft, ob die anstehenden Aufgaben mit dem reformierten Mitarbeiterstab zu bewältigen seien. Falls nicht, müssten der Kommission mehr Mittel für Management zugestanden werden. Andernfalls werde man Aufgaben abgeben. Die Staatschefs denken sich schließlich bei jedem Gipfel neue EU-Projekte aus, ohne zu fragen, wer sie verwalten soll.