Gender-Fiction

„Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen“, verkündete schon vor Jahren eine Zeichentrickhausfrau von Loriot. Die Quintessenz der modernen Geschlechterbeziehungen? In der Popkultur hat es immer wieder Versuche gegeben, den Status quo zu durchbrechen und eine Zukunft zu entwerfen, in der alles anders und vieles besser ist: Science-Fiction als Gender-Fiction. Die meisten dieser futuristischen Visionen verraten aber weniger über die Zukunft als über Hoffnungen und Frustrationen ihrer Entstehungszeit.

Die Weltraumprogramme der Sechzigerjahre setzten neben Zukunftsbegeisterung auch erotische Fantasien frei. Die Pop-Art-Parodie „Barbarella“ (1968) von Roger Vadim zeigte eine Welt, in der das Geschlechterverhältnis durch Abschaffung des Sexualaktes vordergründig entschärft ist. Vadims Ehefrau Jane Fonda spielte eine Astronautin, die mit ihrer brachliegenden Sinnlichkeit erst eine Orgasmusmaschine ruiniert und später von einem übrig gebliebenen Erdenbewohner davon überzeugt wird, dass herkömmlicher Sex aufregender ist als eine Orgasmuspille. Die Message: Es lebe der Unterschied!

Eine intergalaktische Umkehrung der Geschlechterrollen hatten deutsche Fernsehzuschauer zwei Jahre zuvor bestaunen können. In einer Folge der Fernsehserie „Raumpatrouille Orion“ spielte Margot Trooger eine unterkühlte und zugleich sehr damenhafte Matriarchin mit dem strengen Namen „Sie“: die Herrin des Planeten Chroma, auf dem Männer nur als subalterne Gärtner und Soldaten zugelassen sind. Problematisch wird diese Geschlechterkonstellation nur deshalb, weil Chroma, ein grüner Garten Eden, durch Manipulation des Sonnensystems am Leben erhalten werden soll. Die eigene künstliche Sonne erkaltet nämlich! Ein klarer Fall für Commander McLane alias Dietmar Schönherr. Heimliche Botschaft: Die Sonne reicht nur für ein System, Baby.

Mitte der Siebzigerjahre sorgte die „Rocky Horror Picture Show“ für Furore. Auf einem entlegenen, düsteren Schloss erweckt der sexbesessene Transvestit Dr. Frank-N-Furter (Tim Curry) ein Geschöpf zum Leben, das all seine sexuellen Wünsche bündeln soll: ein wasserstoffsuperoxydblonder Muskelprotz. Die Realität, so scheint’s, ist für den Transsylvanier nicht stimulierend genug. Zwar löst die Erweckung der Kreatur einen Reigen wilder Promiskuität unter den Gästen aus, so ganz universell sind die ästhetischen Kategorien aber doch nicht. Susan Sarandon als biedere Janet über den Muskelboy: „Er ist ganz okay!“ Tim Curry empört: „Okay?! Für dich hab ich ihn ja auch nicht gemacht!“

1978 sorgte eine Satire für Furore in der Frauenbewegung: Die norwegische Autorin Gerd Brantenberg entwarf in ihrem Roman „Die Töchter Egalias“ eine Gesellschaft, in der Frauen das Sagen haben und die Männer sich redlich um ihre Gleichberechtigung mühen – zum Beispiel, indem sie ihre verhassten PHs verbrennen, ihre Penishalter. Für Verblüffung und Erkenntnisgewinn sorgte der Zukunftsroman vor allem durch die konsequente Verweiblichung der Sprache: In Egalia sprechen Frau und Mann ganz selbstverständlich von Befrauschung statt von Beherrschung, von Frauschaft statt Mannschaft, von Seefrauen statt Seemännern.

Mit dem Fortschrittsglauben schwand seither auch die Freude an allzu grellen Rollenspielen. Der amerikanischen Autorin Rebecca Wells etwa gelang es in den Neunzigerjahren, mit ihren Romanen über die Ya-Ya-Schwestern („Wie Himmel und Hölle“ und „Die göttlichen Geheimnisse der Ya-Ya-Schwestern“, Berlin 2000, Goldmann, je 39,90 Mark) einen skurrilen Frauentyp zu entwerfen, der im Zeitalter der selbst ernannten Schlampe große Attraktivität besaß – und trotzdem aus der Vergangenheit stammte. Die Ya-Yas sind die weiblichen Angehörigen einer verzweigten Familie im Louisiana der Sechzigerjahre. Sie rauchen und saufen, kümmern sich auf ebenso grobe wie bisweilen herzliche Weise um ihre Brut, halten zusammen wie Pech und Schwefel und besitzen Ehemänner, die immer abhauen, wenn es schwierig wird. Das ruppige Südstaatenidyll taugt aber nur so lange als Rollenmodell, wie die Autorin heitere Episoden spinnt. Allmählich nämlich entpuppt sich Vivi, die Ober-Ya-Ya, als janusköpfige Clanchefin, die ihre Kinder im Suff verprügelt und ihren Sohn sexuell missbraucht.

REINHARD KRAUSE