Millenniumskompositionen – von Männern

■ Younghi Pagh-Paan, Professorin für Komposition, über Frauenförderung in der Kunst

Zu den ersten Jurymitgliedern der Höge, der deutschlandweit einzigen Stiftung zur Förderung von Künstlerinnen, zählt Younghi Pagh-Paan. Sie ist eine von insgesamt vier Professorinnen für Komposition an deutschen Musikhochschulen; die übrigen 70 Dozenten an 23 Musikhochschulen sind Männer.

taz: Frau Pagh-Paan, werden in Deutschland, oder sagen wir Europa, Männer mehr gefördert als Frauen?

Younghi Pagh Paan, Professorin an der Hochschule für Künste in Bremen: Ja, natürlich. Immer wieder kommen wir in bestimmten Kontexten einfach nicht vor, nämlich dann, wenn die zuständigen Männer entschieden haben, dass es kreative Frauen nicht gibt. Man kann hingucken, wo man will. Zum Beispiel auf zehn „Millenniumskompositionsaufträge“ aus Hamburg – kein einziger für eine Frau. Es gibt meines Wissens zurzeit nur drei Gegenmodelle: das Frauenbüro in Krefeld, das Heidelberger Stipendium für Frauen aus Osteuropa und die Höge.

Eine grundsätzliche Frage zu den Förderkriterien für Preise und Stipendien: Kann man sagen, dass die brüchigen Lebensläufe von Frauen nicht genug berücksichtigt werden?

Es ist interessant, dass es in diesem Punkt seit den achtziger Jahren immer besser wird. Das betrifft vor allem das Alter und die Gleichzeitigkeit von Familie und Beruf. Aber diese Probleme scheinen sehr deutschsprachig. In Osteuropa und Südamerika haben Frauen einen viel besseren Status. Das ist gesellschaftspolitisch bedingt. Bei uns gibt es – auch in anderen Berufen – in der Regel keine Chance des Wiedereintritts in den Beruf nach einer Kinderphase. Und eine Künstlerin hat es natürlich noch schwerer.

Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere am Höge-Stipendium?

Erstens einmal – es ist kein Wettbewerb. Wir drei haben Listen abgegeben. Das ist insofern schwieriger, weil ich eine viel größere Verantwortung habe. Ich habe mit Gisela Gronemeyer von der Gesellschaft für Neue Musik zusammengearbeitet. Wir haben acht Frauen ausgewählt, alles bereits hochkarätige Komponistinnen, die noch keine solche Chance hatten. Dann solche, die schon älter sind und sich nirgendwo mehr melden können. Es sind keine Deutschen dabei, aber das ist nicht ganz freiwillig. Wir hatten Mia Schmidt aus Freiburg gefragt. Sie schreibt zurzeit ihre zweite Oper – und ist alleinerziehende Mutter. Deshalb kann sie die Höge-Bedingungen nicht annehmen. In diese Lage käme ein Mann kaum. Wir haben Graciela Paraskevaidis aus Uruguay gefragt, sie ist Mitte fünfzig. Sie hat abgelehnt, weil jüngere Kolleginnen bedürftiger sind. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich denke, so würden Männer nicht handeln.

Wenn Sie Macht und Geld hätten, welche Art von Förderung für Frauen würden Sie einrichten?

Das der Höge. Frauen sind immer stärker im Alltag verankert, sie spielen viele Rollen nebeneinander – nicht nur die der Mutter. Und hier kann man einmal, vom Alltag weg, wirklich mit sich selber in einen schöpferischen Prozess eintauchen. Das ist außerordentlich.

Fragen: Ute Schalz-Laurenze