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: FANNY MÜLLER über den wahren Großen Bruder

Big zu Hause

Das weiß ich auch nicht, warum die gebildeten Schichten sich über „Big Brother“ aufregen, und alle Ethiker jammern und kucken kanzelmäßig aus der Wäsche. Das ist doch alles Käse! Die Leute bestellen das Fernsehen ja trotzdem nicht ab. Warum ich mir aber was im Fernsehen ansehen soll, was ich zu Hause sowieso die ganze Zeit habe, ist mir schleierhaft – nehmen wir nur mal vorletzte Nacht: Um halb zwölf hustet Andrea. Um zwölf brechen die jungen Leute aus dem dritten Stock die Treppen runter Richtung Piste, dass man glaubt, die KFOR-Truppen sind da, und klingeln dabei an jedem verbotenerweise auf den Treppenabsätzen abgestellten Fahrrad. Um halb zwei verlangt Charlie nach seiner Flasche. Gleich danach lasse ich mir ein Glas Wasser aus dem Hahn in der Küche einlaufen, was Martina unter mir bestimmt mitkriegt. Die CIA hätte ihre helle Freude daran und brauchte null Abhörgeräte. Falls hier internationale terroristische Drogenbanden wohnen würden, was ich erst mal ungeprüft verneinen möchte.

Aber wenigstens höre ich das nur und muss mir nicht noch mit ansehen, wie die Leute auf dem Scheißhaus sitzen. Gut, als früher auf dem Dorf während der Heuernte die Bauern immer mal nebenan auf den Acker gingen und in die Furchen kackten, das hat mich auch ziemlich interessiert. Da war ich ungefähr fünf. Und weil die Mehrheit der Bevölkerung ohnehin nicht älter als fünf wird ist das doch die angemessene altersspezifische Unterhaltung oder was.

Jetzt bin ich etwas älter und gelassener und weiß, dass wir auch und gerade außerhalb des Fernsehens ausspioniert werden. Telefon? – Angezapft. Bankkonten – vom Finanzamt nach relevanten Daten durchforstet. E-Mails – von der CIA auf Reizwörter getestet. Da habe ich doch neulich an Jürgen in Amsterdam eine Mail geschickt, wo 15-mal Demokratie und 15-mal Freiheit drinstand und außerdem die Namen von allen Drogen, die ich kenne. Wenn ich jetzt nicht die Hitliste des Bundesnachrichtendienstes usw. anführe, dann weiß ich aber nichts!

Also, die sollen doch im Fernsehen machen, was sie wollen, es gibt wirklich Schlimmeres. Das Öffentliche ist privat, das Private ist öffentlich. Alter Hut. Einen halbwegs vernünftigen Menschen lässt das kalt.

Eins aber sollte man gerechterweise doch noch festhalten: Die Eigner von RTL, die Produzenten, die Regisseure, die Darsteller und die Zuschauer – alle diese I a Arschgeigen, Volltrottel, geldgeilen Säcke und Blindheimer: die gehören so gehaut, dass ihnen die Scheiße aus den Ohren fliegt. Und das kann gerne auch eins zu eins abgefilmt werden. Dafür würde ich mir dann sogar eine neue Fernsehkiste anschaffen, Ehrnwort.