Frischer Wind für die Börse

Sie haben klein angefangen und sind groß rausgekommen: Ingenieurbüros, die ihr Geld mit der Windenergie machen

Heinrich Lohmann ist mal wieder unterwegs auf der Autobahn. „Die Sache benötigt viel Zeit, Arbeit und Energie“, meint der 33-jährige Diplom-Ingenieur. Seit über einem halben Jahr jagt er von einem Termin zum nächsten, trifft Banker, Analysten und Unternehmensberater. Lohmann hat ein ehrgeiziges Ziel: Mit seiner Firma will er an die Börse. Das ist zwar kein Spaziergang, trotzdem ist er bestens gelaunt. „Wir haben gute Vorarbeit geleistet. Der Umsatz hat sich im vorigen Jahr auf 50 Millionen Mark vervierfacht“, freut sich der Windkraftfan.

Vor fünf Jahren hat Lohmann gemeinsam mit dem Elektroingenieur Leo Noethlichs die Firma Umweltkontor gegründet. In relativ kurzer Zeit realisierte das Team lukrative Windparkprojekte. Die Umsätze und die Zahl der Mitarbeiter gehen steil nach oben. 1996 setzten die Turbinenplaner mit sechs Leuten gerade mal 600.000 Mark um. Allein in diesem Jahr steht ein Volumen von über 200 Millionen Mark in den Büchern. Heute managen 30 Leute die Projekte. Bleibt die Frage, warum eine so florierende Firma überhaupt darüber nachdenkt, an die Börse zu gehen. „Wir wollen im Ausland expandieren und dafür Anleger begeistern“, hofft Lohmann. Der Windmüller kann sich nicht nur für die Ökoenergie begeistern, er ist auch Geschäftsmann. Und er weiß, bei den Banken und ihren Börsencracks zählen nur Fakten und Bilanzen. Lohmann hat sich fit gemacht. Viele Firmen scheitern an einer falschen Vorbereitung oder wählen schlicht den falschen Zeitpunkt für ihren Börsengang. Das will er vermeiden. Beim mühsamen Weg zum Initial Public Offering (IPO), wie der Börsengang genannt wird, sind tausend Dinge zu berücksichtigen, schließlich muss der Rheinländer schon bald die Einzelheiten der Börseneinführung vor ausgewähltem Auditorium präsentieren.

Doch zunächst heißt es, Kooperationspartner zu finden. Dazu zählt die richtige Auswahl des Bankenkonsortiums, eine Investor-Relations-Agentur muss gefunden werden und ein unabhängiger Unternehmensberater, der die Firma Umweltkontor auf Herz und Nieren prüft. „Wir setzen vor allem auf Transparenz. Die Anleger sollen wissen, dass sie mit uns eine üppige Rendite einfahren werden“, meint Lohmann. Und das hat seinen Grund: Gerade am Neuen Markt wurde von einigen Börsenneulingen im vorigen Jahr nicht mit Fakten und soliden Daten operiert, sondern mit heißer Luft – zum Schaden der Anleger.

Umweltkontor hat auf eine PR-Agentur gesetzt, die schon viele Firmen erfolgreich beraten hat. Die aktive Investor-Relations-Pflege ist für das Hückelhovener Unternehmen obligatorisch. „Man muss bei Bankern bekannt werden. Bei der Fülle von Börsengängen eine nicht leichte Aufgabe. Das geht nur mit Profis“, meint Lohmann.

Die Börsenaspiranten aus dem Rheinland schätzen ihre Perspektiven nüchtern ein. „Zu viel Euphorie schadet“, weiß ein Emissionsberater. Vorteilhaft für die junge Windkraftfirma ist, dass sie sich in ihrem Kerngeschäft – der Projektierung von Windparks – bestens auskennt. Vorteilhaft ist auch, dass die Erfolgsgeschichte sich an der Umsatzentwicklung und der gestiegenen Mitarbeiterzahl orientiert.

Fragt man Lohmann, wohin die Reise gehen soll, braucht er nicht lange zu grübeln. In Griechenland und Spanien werden erste Windparks realisiert, in Norditalien steht der Kauf von Wasserkraftwerken an, und selbst in Bulgarien werden in diesem Jahr 3,5 Megawatt Windkraftleistung installiert. Als eines der ersten deutschen Planungsbüros hat Umweltkontor die Tür Richtung Europa aufgemacht. Dass diese Entwicklung von den Analysten als solide, strategische Kursentscheidung bewertet wird, zeigt der Einstieg der Fort Knox Venture AG, die mit frischem Kapital die Projektentwicklungen im Ausland finanziell unterstützt.

Für Lohmann steht das unternehmerische Wachstum und dessen Finanzierung im Vordergrund für den IPO. Für ihn bringt der eingeleitete Schritt auf das Börsenparkett – höchstwahrscheinlich der Neue Markt – einen spürbaren Kapital- und auch Imagevorteil. Mit dem Slogan „Energie ohne Ende ist unser Kapital“ will er die Analysten für seine junge Firma begeistern.

Eine gute Vorbereitung ist im Wortsinn Gold wert. Die Praxis zeigt, dass viel zu oft Unternehmen überhastet ihren IPO angehen, sich von der schnellen Mark blenden lassen. Lohmann hat tief in die Taschen gegriffen: Broschüren mussten geplant und gedruckt werden, ein Imagefilm wird derzeit realisiert, ein Werbespot und Anzeigenkampagnen sollen laufen, und selbst die Internetpräsentation ist komplett überarbeitet worden. Und dann fallen immer wieder Provisionen und Gebühren an. Die Kosten für die Platzierungsprovision liegen im sechsstelligen Bereich.

Der Börsengang läuft planmäßig. Lohmann schaut auf seinen Terminkalender: „Essen beim Italiener“ steht da. Doch das heißt nichts. Einfach nur so mit Freunden gemütlich speisen, dafür findet er jetzt kaum noch Zeit. Es geht wieder um ein Geschäftsessen – mit einem Unternehmensberater. Na dann: guten Hunger. Michael Franken