Ohne Kontakt zur Außenwelt

Beim Uefa-Cup-Match gegen Galatasaray Istanbul im Dortmunder Westfalenstadion endet eine neue Folge der „Big Borussia“-Show mit 0:2 und die Voyeure kommen wieder voll auf ihre Kosten

aus DortmundULRICH HESSE-LICHTENBERGER

Schon von der „Big Brother“-Show gehört? Die mit dem Untertitel: „Zehn Menschen ohne Kontakt zur Außenwelt, die Kamera ist immer dabei“? Nun, seit Mittwoch läuft diese Sendung im Privatfernsehen und hat überall für Aufregung gesorgt. Außer im Dortmunder Westfalenstadion. Denn hier ist diese Show ein alter Hut. Am Donnerstagabend gab es schon die vierte Folge der 2000er-Staffel, Thema diesmal: Hinspiel im Achtelfinale des Uefa-Cups zwischen Borussia Dortmund und Galatasaray Istanbul. Das Ergebnis dieser Begegnung – 0:2 nach Treffern von Hakan Sükür (33.) und dem Rumänen Hagi (45.) – war dabei zweitrangig. Wichtiger scheint die Erkenntnis, dass der BVB die Herausforderung von RTL 2 angenommen hat und bei seiner eigenen Real-Inszenierung noch eine Schüppe drauflegen konnte.

So muss man wohl bilanzieren, dass die bisherigen, auf ihre eigene Art durchaus interessanten Heimauftritte der Schwarz-Gelben in diesem Jahr offenbar lediglich dazu gedient haben, die Grundidee der Show zu etablieren: Die Mannschaft des BVB gibt eine relativ willkürlich zusammengestellte Wohngemeinschaft, bei der keiner weiß, wer den Müll rausbringt, während das Publikum im Anschluss an die Darbietung entscheidet, wer bleiben muss und wer packen darf. Einen Spieler (Sergej Barbarez) und den Trainer (Michael Skibbe) hat man auf diese Weise ja schon abserviert und sich damit in die Schlagzeilen gebracht.

Am Donnerstag jedoch gingen die Westfalen ans Eingemachte und lieferten allen Zweiflern den Beweis, dass diese Show nicht etwa ein harmloses Spiel ist, sondern ein bizarrer Seelenstrip, bei dem man sich mal peinlich berührt abwenden, mal voyeuristisch fasziniert hinstarren möchte. Selbst BVB-Trainer Bernd Krauss nannte die Leistung seines Teams „erschreckend“ und „schockierend“ – wirkte aber zugleich in seinem Zorn und seiner Enttäuschung geradezu geläutert, als habe er eben ein kathartisches Erlebnis gehabt. Mit mahlenden Unterkiefern wehrte er alle Hilfsangebote der Journalisten ab. Lag es an den vielen Verletzten und Gesperrten? Nein. Lag es am perforierten Selbstbewusstsein? Nein. „Vielleicht ist es eine Qualitätsfrage“, presste Krauss schließlich hervor und atmete durch: „So, jetzt ist es raus.“

Ja, da war es raus. Seelenstrips mögen moralisch verwerflich sein, aber manchmal ist Wahrheit eben wichtiger als Moral.

Und die Wahrheit lautet, dass die Dortmunder Mannschaft schlicht nicht gut genug ist, um auf durchschnittlichem europäischem Niveau mitzuhalten. Fast fühlte man sich an Günter Netzer erinnert, der beim Auftritt der deutschen Nationalmannschaft in Amsterdam schnippisch feststellte, dass es „an den Grundlagen mangelt“. Denn es kann nicht mit dem oft gescholtenen Dortmunder Rasen erklärt werden, warum der BVB von Galatasaray am Nasenring durchs Zirkusrund geführt wurde, auch nicht mit der taktischen Ausrichtung: Die Türken hatten schließlich kein Problem, den Ball über den Acker flitzen zu lassen, und dass die Borussia nach der Pause Libero Baumann ins Mittelfeld zog, um in der Abwehr mit einer Viererkette zu operieren, änderte wenig am Spielverlauf.

Auch die Einstellung der Spieler war nicht allein ausschlaggebend: Zwar musste Evanilson nach einer halben Stunde wegen „Undiszipliniertheit“ vom Feld, aber dass die Borussen stets zu weit weg vom Gegner waren („Zehn Menschen ohne Kontakt zur Außenwelt“!), hatte weniger mit Wollen zu tun denn mit Können. Miroslav Stevic etwa, jenes Muster an Eifer und Einsatz, war hilflos gegen den greisen Hagi, der bewies, dass gute Technik und ein sicheres Auge effektiver sind als flinke Beine.

Und dann war da ja noch die an einen Fellini-Film erinnernde Kulisse, die ihr Übriges tat, um aus dem Spiel eine Zurschaustellung zu machen: Der BVB trat im eigenen Stadion vor gut 35.000 Türken auf, die erst zu Karnevalsliedern schunkelten, dann „You’ll Never Walk Alone“ sangen und schließlich die Südtribüne mit einem ohrenbetäubenden „Auf Wiedersehen“ bedachten. Ein solches gibt es in zwei Wochen gegen Bielefeld. Die Gaffer werden wieder dabei sein. Man will ja wissen, wie es weitergeht.

Borussia Dortmund: Lehmann - Nijhuis, Kohler - Baumann - Evanilson (32. Reina), Stevic, Ricken, But, Dede - Ikpeba, BobicGalatasaray Istanbul: Taffarel - Ümit, Capone, Bülent, Ergün - Okan (83. Hasan), Suat, Emre, Hagi (85. Ahmet) - Sükür, Arif (87. Marcio)Zuschauer: 52.400; Tore: 0:1 Hakan Sükür (33.), 0:2 Hagi (45.)