GREEN CARD: EINE IDEE DES ESTABLISMENTS
: Mach die Gewerkschaft nicht an

Die Industrie braucht Computer-Gastarbeiter. Deshalb denkt das politische und wirtschaftliche Establishment endlich über ein Einwanderungsgesetz nach. Mit einer solchen Regelung würde in der „Ausländerfrage“ alles gut, so Hannes Koch in seinem gestrigen Kommentar „Miefig und unsympathisch“. Im gleichen Atemzug nimmt er sich die Gewerkschaften zur Brust, weil die angeblich gegen Einwanderung und für geschlossene Grenzen seien. Der Vorwurf zielt ins Leere.

Nun, es gehört zum guten Ton der Neuen Mitte, auf den ach so antiquierten Gewerkschaften herumzuhacken. Man möchte diese Karawane gerne ungerührt vorüberziehen lassen, aber etwas Gerechtigkeit muss sein. Wenn es jemanden gab, der recht früh fortschrittliche Positionen in der Ausländer- und Einwanderungspolitik vertreten hat, dann war es der DGB. Er war es, der in den Sechzigerjahren das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für die „Gastarbeiter“ und gegen den Widerstand der Unternehmer durchsetzte. Er und kein anderer engagierte sich für die Integration der Einwanderer in den Betrieben. Bereits 1972, als der Rest der Republik noch darüber räsonierte, ob nun Menschen oder Kulis gekommen seien, setzten die Gewerkschaften für die Eingewanderten Partizipationsrechte durch – das aktive und passive Wahlrecht bei Betriebsratswahlen. Und Mitte der Achtzigerjahre, als CDU und CSU die „Türken raus!“-Stimmung schürten und dies vielen Unternehmern in ihrer Personalpolitik entgegenkam, war der DGB ganz unmodern. Er forderte das kommunale Wahlrecht für Ausländer. Und er setzte sich für das Recht auf Familiennachzug ein. Später dann für die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts inklusive doppelter Staatsbürgerschaft.

Wenn Gewerkschafter heute bei der Anwerbung von Computer-Gastarbeitern weniger Eifer zeigen als die Unternehmerverbände, dann spricht das für sie. Sie wehren sich gegen ein Hire-and-fire-Modell. Vielmehr steht der DGB für eine verantwortungsvolle Politik. Und die lautet: Wenn Anwerbung, dann darf dies auf kein Rotationsmodell hinauslaufen. Gefordert ist ein vernünftiger, dauerhafter Aufenthaltsstatus und das Recht auf Familiennachzug. Nur so lassen sich die migrationspolitischen Fehler der Vergangenheit vermeiden.

Natürlich gibt es im DGB wie in allen Parteien Rassisten und Abschottungsbefürworter. Der Unterschied: Der DGB hat das erkannt und bereits in den Achtzigerjahren die Aktion „Mach meinen Kumpel nicht an“ gestartet. Jahre bevor andere das Hohelied auf die Verteidigung der Zivilgesellschaft angestimmt haben. EBERHARD SEIDEL