Tanz den Status Quo

■ In Bremerhavener tanzte sich Jo Stromger im TiF für Tanz Bremen seine „Masculine Mysteries“ von der Seele, very unmysterious

Sind es wirklich „Masculine Mysteries“, sind es Geheimnisse, die die beiden Männer vorführen und verraten? Nein, es sind keine Geheimnisse: Die beiden Norweger Jo Stromgren und Bergmund Waal Skaslien erzählen eine Geschichte, wie sie unter Männern so – oder so ähnlich – ablaufen kann, wenn beide gerade allein sind und mindestens einer von ihnen die große Flatter kriegt, weil ihm die Freundin weggelaufen ist. So geht es los: Mit einem Abschiedsbrief, den der Empfänger (Jo) zerreißt, nachdem er ihn gelesen hat und wir eine englischsprechende Stimme vom Band gehört haben.

Jo Stromgren ist der Tänzer in dem Duo, er gilt als „enfant terrible der nordischen Tanzszene“, hier deutet er nur an, wozu er in der Lage ist, geschmeidige, weiche, sehr schnelle Bewegungen von äußerster Leichtigkeit. Aber jetzt schüttelt er aus seinem biegsamen Körper in kurzen Konvulsionen das Leid und das Selbstmitleid. Bergmund Waal Skaslien ist der Musiker, ein Teufelsgeiger, ein Virtuose, er begleitet und kommentiert die Trauerarbeit des Freundes mit schwermütigen Melodien und wilden Akkorden.

Auf der Bühne stehen ein Tisch, zwei Stühle, ein altes Radio wird ein- und ausgeschaltet, es gibt Kurzwellensalat, dazu die typischen Haltungen im slapstickhaften Zeitraffer, Frühstück, Zeitunglesen, Quatschen. Die Männer holen aus Koffern unter dem Tisch zwei Puppen hervor, die ihnen verdammt ähnlich sehen. Sie lassen sie sprechen: „Let's talk about girls!“ „Nein, warum immer über girls? Lass uns lieber übers Reisen sprechen! Über Frauen, mit denen wir reisen wollen.“

Die Frau der Träume taucht als Diaprojektion an der Rückwand auf, eine orientalische Männerphantasie. Dann erscheinen die beiden Freunde im Videofilm.

Darin verfolgt Jo eine Unbekannte und sieht sie später mit Bergmund im Kuss vereint. Filmschnittartig wechseln der Tänzer und der Musiker die Medien, sie springen vom Tanz zum Puppenspiel, vom Film zum Schattenspiel. Sie bauen ein Mosaik aus lauter kleinen, typischen Situationen, aber ihre Erzählung hat keine Linie, keinen großen oder kleinen Bogen. Es sind Variationen zum Sehnsuchtsschmerz des Mannes, und der geht nicht unter die Haut. Stromgren und Skaslien reißen die Klischees nur an, aber nicht auf, sie reihen sie aneinander und tunken ihre maskulinen Geheimnisse in eine Soße aus Selbstmitleid, die der Abspann kokett verrät: „Like most men, they had to accept the fact, that they would never understand. Never.“

Es sind Männer, die sich im Kreis drehen. Immer geschieht das Erwartete, nur einmal wagen die beiden – mit nacktem Oberkörper – einen gemeinsamen Bauchtanz. Sobald sie sich gefährlich nahe kommen, stoßen sie sich ab. Der Status Quo der Männereinsamkeit wirkt in dieser Darstellung ermüdend bis langweilig.

Im Rahmen des Festivals Tanz 2000 konnte das TiF als Außenposten Bremerhaven mit überrschend gutem Besuch glänzen. Theaterchefin Dorothee Starcke ist überglücklich über die neue Kooperation, auch wenn organisatorisch noch diverse Schwierigkeiten zu überwinden waren. Hans Happel