Die Leichen im Keller feiern fröhlich Auferstehung

■ Mit Witz und Tempo, rundum gelungen: Offenbachs „Ritter Blaubart“ im Forum der Musikhochschule

Wenn Jacques Offenbach heute noch leben würde, hätte Alice Schwarzer ihn schon längst an ihr Herz gedrückt. Denn die Bühnenwerke dieses Komponisten hielten ihrer Zeit nicht nur einen gnadenlos entlarvenden Spiegel vor, sondern warteten mit Frauenfiguren auf, die alles andere als unterwürfig waren. In der Mitte des 19. Jahrhunderts muteten sie geradezu skandalös aufmüpfig an. Wie erfrischend – nicht nur im Hinblick auf die weiblichen Protagonisten – auch heute noch die Aufführung beispielsweise von Offenbachs Ritter Blaubart sein kann, beweist jetzt die Inszenierung von Michael Schlüter-Padberg im Forum der Musikhochschule.

Offenbach und sein Librettistenduo Meilhac/Halévy tauchen die blutrünstige Fabel vom Ritter Blaubart in das milde Licht fröhlicher Selbstsironie. Ihre Travestie des Perraultschen Märchens scheut weder den radikalen Eingriff in die Dramaturgie des Originals noch die Neuerfindung ganzer Erzählstränge wie beispielsweise das Treiben am Hofe des Königs Bobèches. Ihr Ritter Blaubart gefällt sich in der Rolle des unwiderstehlichen Verführers und pflegt sein geheimnis-umschauertes Image eines mehrfachen Witwers. Dabei bringt er seine Ehefrauen gar nicht selbst um, sondern überlässt seinem Hausalchimisten Popolani diese Aufgabe. Dieser hat allerdings eine bessere Lösung, als die Gemahlinnen ins Jenseits zu schicken. Boulotte, Ehefrau Nummer sechs, übernimmt schließlich die Führung beim Sturm der auferstandenen Blaubart-Gattinnen auf männliche Selbstherrlichkeit.

Schlüter-Padbergs Inszenierung ist im Grunde rundum gelungen: Voller Tempo und Witz, passt sie zu Offenbachs ungestümer Musik, die Siegfied Schwab so wunderbar straff und pointiert dirigiert. Auch die Ausstattung von Michael Goden weiß mit sparsam eingesetzten Mitteln und grellen Akzenten viel zu erzählen, sei es etwa die Sandkiste vorm Thron von Bobèche, oder seien es die oftmals karikierend wirkenden Kostüme. Natürlich wäre eine knackigere Deutung des Werkes denkbar – anspielungsreicher, ja gemeiner: Gerade in Zeiten von extremer Politikerwillkür und Spendensumpf lassen die Leichen im Keller besonders herzlich grüßen.

Doch ein allzu profilierungssüchtiges Regiekonzept hätte wahrscheinlich auch mehr als wünschenswert von der Riege hervorragender Nachwuchssänger abgelenkt, die in dieser Koproduktion des Internationalen Opernstudios der Staatsoper und der Musikhochschule zu hören sind. Aufhorchen ließen vor allem Antigone Papoulkas als resolute Boulotte mit sattem, farbenreichem Mezzosopran und Tenor Johannes Harten in der Titelrolle, dessen helltimbriertes Organ schon jetzt über eine große Tragfähigkeit verfügt. Überaus vielversprechend auch Tobias Schabel als Graf Oscar mit bereits ungewöhnlich souverän geführter Bassstimme. Dagmar Penzlin

noch 10., 12., 14., 16. und 18. März, 19 Uhr, Forum der Hochschule für Musik und Theater, Harvestehuder Weg 12