Cunnilingus mit Bruce Springsteen

■ Nach einem Konzert in „Saiko“ (auf Deutsch: Syke) war der Sirenengesang der kanadischen Scrappy Bitches im Moments zu hören

Nicht wenige lesbische Pärchen kamen ins Moments und hatten – für manche unerwartet – jede Menge Gelegenheit zum Kuscheln im Konzert des kanadischen Trios mit dem unkuscheligen Namen „The scrappy B.I.T.C.H.Tour“. Aber man musste nicht unbedingt lesbisch sein, um die gegenseitige Achtung der so unterschiedlichen Diven Veda Hille, Kinnie Starr und Susie Ungerleider zu bewundern. Vier Sets gab es in diesem Konzert, denn jede dieser grandiosen Stimmen beanspruchte eine dreiviertel Stunde Raum für sich allein. Die anderen wisperten nur gelegentlich demütig dazu, ehe man sich am Ende in schönster Gleichberechtigung zusammentat. Eigentlich die pure Bataille'sche Verschwendung, wie wenn Alanis Morrisette, Bonnnie Riatt und Joni Mitchell zusammengingen.

Zum Stilbruch braucht es aber gar keine drei. Kinnie Starr ist ein solcher für sich ganz allein. Über ein Unwetter im mexikanischen Guadalajara mit toten Hunden im Fluss und anderen Unerfreulichkeiten singt sie seltsam melancholisch-inbrünstig wie über eine abgesoffene Liebesgeschichte. Und kurze Zeit später rappt sie verschmitzt über eine Früchtebowle mit Ananas, Orangen, Schnitzel, Würstchen – Mahlzeit. Obwohl da der Sound von der Bandmaschine kommt, ist es trotzdem kein ordnungsgemäßer HipHop. Zwar wirft sich Kinnie Starr in ihren schlottrigen Scaterklamotten mackermäßig auf die Knie und rappt den dezent verunsicherten Besuchern im Mittelgang straight ins Gesicht. Die Stimme aber bleibt smooth, wie wenn Suzanne Vega Sabrina Setlur imitieren wollte. Den Widerspruch kultiviert sie auch sonst. Mit treumütigem Augenaufschlag und Heidi-Zöpfchenfrisur fragt sie uns, ob wir denn den Liedtext verstanden hätten, die Sache mit dem Cunnilingus im Mondschein, und ob wir wüssten, was das sei, ein Cunnilingus, und dass schon weiland Bruce Springsteen sein Publikum mit dem Wort Cunnilingus ergötzte – und kriegt dieses bitchige Wort überhaupt nicht mehr aus ihrem Mund heraus. In Interviews sagt sie, dass sie sich eher als Performerin, denn als Musikerin sieht. Auch die Tatsache, dass sie gerne Graffitis malt, spricht für ihre Abscheu gegenüber kreativen Festzurrungen.

Veda Hille wurde vor Jahren vom women-in-(e)motion-Festival für Europa entdeckt und ist seither treuer Gast in Bremen. 1999 bewies auch sie mit einem musikalischen Porträt der vergessenen, extravaganten Schriftstellerin Emily Carr Ambitionen, die über klassisches Songwriting hinausgehen. Und wieder beeindruckte sie mit dieser Mischung aus betörendem Sirenengesang zum Dahinschmelzen und ruppigen Schräglagen.

Bei Susie Ungerleider kann man vergessen, dass man sich im 21. Jahrhundert befindet. Vor vierzig Jahren hätte ihr Country-Sound nicht anders geklungen. Passend zu den roten Blümchenstickereien auf der Jeansjacke und dem unzeitgeis-tig akuraten Seitenscheitel, nennt die Kollegin Veda Hille sie „Hank Williams mit Brüsten“. Singen tut sie aber noch viel schöner, mit diesem ganz speziellen robusten country-Sehnsuchtsdruck. Trotzdem wünscht auch sie „viel Vergnügen“ bei einem Song über Hass und Gewalt. Wenn die drei schließlich zusammengehen, gelten keine Kategorien mehr wie avantgardistisch oder altmodisch. Mal klingt es bodenständig wie das Linda-Ronstadt-Trio, mal mit krachender Gritarre wie schwer durchgeknallte Independet-Frauen. Aber das Schlampe-Spielen ist eigentlich nur ein klitzekleines Sahnehäufchen auf den freundlichen, charmanten Frauen. bk

Nächstes (e)motion-Konzert: Martha Wainwright, 9. März, KITO