Wächst jetzt zusammen, was zusammengehört?

■ Eine neue Idee aus dem Senat macht Furore: Bremen und sein Umland gründen einen eigenen Staat / Dazu die CDU-Niedersachsen: „Die spinnen, die Bremer!“

Der Chef der Senatskanzlei, Reinhard Hoffmann, legt die Karten auf den Tisch: Gestern präsentierte der wichtigste Hintermann im Senat das am Samstag in der Oldenburger Nordwest-Zeitung präsentierte vertrauliche Papier, in dem Planungen Bremens beschrieben werden, eine „Regionalkörperschaft“ mit den Umlandgemeinden im 30-Kilometer-Radius um Bremen herum zu bilden. Diese Regionalkörperschaft hätte dann 700.000 BewohnerInnen in Bremen und Bremerhaven und 600.000 weitere aus dem Umland. „Wir brauchen einen neuen Anlauf bei der Zusammenarbeit zwischen Bremen und dem Umland“, begründete Hoffmann seinen bislang vertraulichen Vorstoß. Vertreter der Umlandgemeinde allerdings wittern bereits den Versuch, Bremen wolle sich „das Umland einverleiben“ (so zum Beispiel Oldenburgs Regierungspräsident Bernd Theilen).

In dem 54-seitigen Papier plädiert Hoffmann für neue „polyzentrale Strukturen“: Zwar sollte die Existenz der vorhandenen Gemeinden nicht in Frage gestellt werden, allerdings sei denkbar, eine „eigenständige staatliche Entscheidungsebene“ einzuführen, die als regionale „Kammer“ auch parlamentarisch verankert werden müsste. „In doppelter Landeszugehörigkeit werden die Bürger und Kommunen über die Regionalkörperschaft auch dem jeweils anderen Land zugeordnet“. Damit schlägt Hoffmann eine Länderstruktur vor, die in Deutschland einzigartig wäre.

Die Idee ist aus der Not geboren: Immer mehr BremerInnen wandern in das Umland ab und zahlen dann auch ihre Steuern in Niedersachsen, während Bremen auf den Kosten einer Metropole sitzen bleibe. Dies habe zu einem „Missverhältnis zwischen Zentrum und Umland“ geführt, obwohl doch beide Seiten aufeinander angewiesen seien. Eine gegenseitige Abschottungspolitik aber führe „in die Sackgasse“. Damit gibt Hoffmann das Paradigma auf, Bremens Eigenständigkeit um seiner selbst willen auf ewig zu verteidigen.

Indirekt kritisiert der Sozialdemokrat damit auch die Finanzpolitik von Senator Hartmut Perschau (CDU). Hoffmann deutete indirekt an, dass unter gegenwärtigen Bedingungen zur Sanierung des Bundeslandes ein doppelt so hoher Länderfinanzausgleich ebenso notwendig erscheine wie ein Wirtschaftswachstum, das sich an den überdurchschnittlichen Wachstumsraten der besten Branchen orientiere.

Offen blieb allerdings auch ges-tern, wie die bereits entzürnten Umlandgemeinden von einer „Regionalkörperschaft Bremen-Unterweser“ profitieren könnten. Hoffmanns einziges Argument: Das Umland würde früher oder später darunter leiden, wenn Bremens Wirtschaft kranke.

Die Grünen begrüßten gestern den unfreiwilligen Vorstoß Hoffmanns. Es sei an der Zeit, dass der Senat einräume, mit der Stadtstaatenstruktur verbundene Probleme nicht aus eigener Kraft lösen zu können. Allerdings sei möglich, dass durch das „ungeschickte Agieren der Senatskanzlei“ der interessante Vorstoß sogleich wieder „gegen die Wand gefahren“ werde.

Tatsächlich sagte Niedersachsens Innenminister Heiner Bartling (SPD) gestern, Bremen könne die Lösung seiner Finanzprobleme nicht von Niedersachsen erwarten. Die Bezirksregierung Weser-Ems nannte das Papier „völlig unakzeptabel“ und eine „Bankrotterklärung“ des Stadtstaates. Mit den Worten „Die spinnen, die Bremer“, wird der stellvertretende CDU-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag, Hans Eveslage, zitiert. cd

Papier im Internet unter:

www.bremen.de/info/presse/

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