Lohn der Fron im Mülltrennungsland

Im Kampf gegen die Spaßgeneration profitieren Braunschweigs Metalrapper Such A Surge vom Standortvorteil

„Es ist uns verdammt wichtig, authentisch zu sein.“ Und: „Wir stehen auch dafür, dass wir immer ehrlich waren.“ Und: „Wir haben immer gemacht, was wir wollen.“

Wenn man mit Axel Horn, in Personalunion Bassist und Manager von Such A Surge, über die neue Platte der Braunschweiger Band spricht, jagt ein Déjà-vu das nächste. Authentizität, Ehrlichkeit – wie aus alten, längst vergangenen Zeiten tauchen Worte und Werte auf, deren Verfallsdatum man lange schon für abgelaufen gehalten hatte. Einen doppelten Boden gibt es hier nicht.

Such A Surge sind die Band für eine doppelt frustrierte, stetig wachsende Minderheit. Sie fangen die auf, die angewidert sind vom sinnentleerten Hämmern der Techno-Beats, aber trotzdem nach einer harten Woche die Sau rauslassen wollen. „In den 90ern hat die Spaßgeneration die Macht übernommen“, sagt Horn, „Ich habe nichts gegen die Love Parade und besitze selbst eine Playstation. Aber solche Dinge sind inzwischen wesentlich wichtiger geworden, als mal inne zu halten und nachzudenken.“ Trotzdem sehen sich Such A Surge „definitiv nicht als politische Band“, sagt Horn. Aber „vor kurzem haben wir nach einer langen Diskussion zugegeben, dass man uns als sehr sozialkritische Band sehen kann“. Such A Surge bringen auch auf ihrem vierten Album ein Gefühl aus den 80ern zurück: Dieses Irgendwie-links-Sein, das man nicht näher erklären musste.

Nachdem aber inzwischen selbst Punkrock zum lustig hoppelnden Pubertätsvergnügen degeneriert ist, befriedigen Such A Surge mit ihrem Crossover aus Brachial-Rap und wogendem Metal das Bedürfnis nach Abgrenzung zum Mainstream. Vor allem aber liefert das Septett auf seinen Konzerten mit Hilfe von Gitarren und Turntables das nötige Dröhnen, das einem das Hirn freibläst. Den so entstandenen Freiraum füllen die beiden Rapper Michel Begeame und Oliver Schneider auf Platte mit ein paar bedenkenswerten Gedanken: „Kann es sein, dass Paare, die den Müll sauber trennen, trotzdem ihre Kinder schlagen?“, fragen sie in „Tropfen“. Mülltrennung? Damit ist man wohl näher dran am deutschen Alltag als die internationalen Großmeister des Genres wie Prodigy. Ein Standortvorteil.

Aber: Ständig authentisch sein, sich und die Fans immerzu ernst nehmen, ist ein hartes Geschäft. Distanz ist im Such-A-Surge-Kosmos nicht vorgesehen. „Wir wollen kein falsches Bild von uns vermitteln“, sagt Horn. Trotzdem lebt die Band seit 1994, dem Jahr der Vertragsunterzeichnung bei Sony, mit dem Ausverkaufsvorwurf. Dem wird mit strenger Selbstkasteiung begegnet: „Ich lade jeden Fan ein, mit mir am Merchandising-Stand zwei Stunden lang über Einstellungen und Politik zu diskutieren“, sagt Horn.

Der Lohn der Fron war eine sensationell gut verkaufte Debüt-Platte, „Under Pressure“, und eine ständige Präsenz auf Viva in den letzten Jahren. Aber noch reicht es nicht zu sechsstelligen Verkaufszahlen. Bis dahin verdient man sich das Geld hauptsächlich mit Live-Auftritten und misst den Erfolg daran, überhaupt Platten machen zu dürfen. Und sich nicht reinreden lassen zu müssen. Selbst das Marketing, eigentlich die vornehmste Aufgabe einer Plattenfirma, entwerfen Such A Surge in Eigenregie.

THOMAS WINKLER

Such A Surge: „Der Surge Effekt“ (Epic/Sony)

Tour: 7. 3. München, 14. 3. Lahr, 15. 3. Stuttgart, 16. 3. Frankfurt, 17. 3. Hamburg, 18. 3. Bremen, 23. 4. Düsseldorf