Tolle Tage bei den Grünen

Nach dem angekündigten Abtritt von Vorstandssprecherin Gunda Röstel: Daniel Cohn-Bendit und Chefkandidatin Renate Künast beklagen das Versagen ihrer Partei bei der Parteispendendebatte

BERLIN taz ■ Der Parteitag vor dem Scheitern, die Meinungsumfragen so mau wie inzwischen üblich, eine Parteivorsitzende im Abflug – bei den Grünen herrschte schon am Rosenmontag Katerstimmung. Während Gunda Röstel ihren Abschied noch als Signal für eine Erneuerung verstanden wissen wollte, übt ein prominenter Realpolitiker Fundamentalkritik an seiner Partei.

Der Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit geißelt in einem Meinungsbeitrag für die taz das Schweigen der Grünen in der CDU-Spendenaffäre. „Ausgerechnet die Grünen“ hätten sich an der Auseinandersetzung nicht beteiligt, „ob aus intellektueller Verkrustung, politischer Naivität oder rätselhaftem politischen Kalkül“. Cohn-Bendit bezieht auch das eigene Lager ausdrücklich in seine Kritik ein: „Von Joschka Fischer oder Antje Vollmer, denen man so etwas zutrauen könnte, war nichts zu vernehmen.“ Anstatt „politische Korruption als systematisch betriebenen Verfassungsbruch zu skandalisieren“, hätten die Grünen sich höchstens am „allgemeinen Lamento“ beteiligt.

Auch die aussichtsreichste Kandidatin für eine neu zu wählende Doppelspitze der Partei, Renate Künast, räumt im taz-Interview ein: Der grüne Umgang mit der Spendenaffäre „ist wirklich ein Teil des Problems, das wir zur Zeit haben“. Die Grünen hätten „nicht hinreichend versucht, dabei die Speerspitze zu sein, nicht nur bei der Aufklärung, auch bei der Frage nach den Konsequenzen“. Künast selbstkritisch: „Da waren wir einfach nicht vorne.“ Wenn der Parteitag im März Parlamentariern die Kandidatur für Parteiämter erlaubt, will Künast sich beim Parteitag im Mai zur Wahl stellen.

Nach Ansicht von Cohn-Bendit haben die Grünen mit ihrem Versagen in der Spendenaffäre ihren Gegnern zu neuem Auftrieb verholfen. So hätten die drei „Altparteien“ SPD, FDP und CDU die Schleswig-Holstein-Wahl als erfolgreich gewertet. „Sie feiern einen Sieg, der ihnen die alten Optionen aus einer Zeit zurückgebracht hat, bevor die grünen Schmuddelkinder ihren Aufstieg begannen“, beschreibt Cohn-Bendit „eine gespenstische Renaissance längst überholt geglaubter Verhältnisse“.

PATRIK SCHWARZ

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