■ Im Umland stößt der Vorstoß aus dem Bremer Rathaus auf Skepsis und offene Ablehnung
: „Mit dieser Vermessenheit konnte nur Napoleon Europa verändern“

Henning Scherf liebt es, Worte mit „riesig“ zu kombinieren. „Die meisten Kollegen sehen darin eine Riesenchance“, erzählte er über die Reaktion im Bremer Umland auf das Papier seines Staatsrates Reinhard Hoffmann, der vorschlägt, zusätzlich zu den Landesstrukturen in Bremen und Niedersachsen eine „Regionalkörperschaft“ zwischen Bremen und den direkten Umland-Gemeinden zu bilden und darüber einen Finanzausgleich zugunsten von Bremens oberzentralen Kosten zu organisieren.

Wer Scherf diesen Eindruck vermittelt haben könnte, ist rätselhaft. Der Stuhrer Gemeindedirektor Hermann Rendigs war regelrecht sprachlos, als ihm Journalisten (von buten&binnen) ein Exemplar des bis dahin geheimen Papieres übergaben. „Man sollte auch die kleinen Nachbarn ernst nehmen“, meinte er. Und: „Mit dieser Vermessenheit konnte nur Napoleon Europa verändern, aber nicht ein Verantwortlicher in der bremischen Staatskanzlei.“

Über die Form empören sich auch andere. Das Papier trägt das Datum des 3.1.2000, ist also zwei Monate alt. Es war nur an 15 Oberkreisdirektoren und Oberbürgermeister gegeben worden und das mit der Bitte um Diskretion auch im Namen von Bürgermeister Henning Scherf.

Das niedersächsische Innenministerium war nicht eingeweiht. „Ein solcher Vorstoß gegen den in der Verfassung vorgeschriebenen Weg ist sehr befremdlich“, meinte Niedersachsens Innen-Staatssekretär Werner Lichtenberg. „Für wie dumm hält man uns Niedersachsen eigentlich, dass wir nicht erkennen sollen, dass es dabei nur einen Vorteil für Bremen gibt?“

Bernd Theilen (SPD), Regierungspräsident Oldenburg, kündigte „schärfsten Widerstand“ an. Es sei ein „Affront“, dass der Vorstoß weder mit ihm noch mit dem Innenminister in Hannover abgesprochen sei. „Regionsbündelung nach der Methode von Eingemeindung“ sieht er. In Oldenburg war das Hoffmann-Papier der Presse zugespielt worden. „Den Bremern muss das Wasser bis zum Halse stehen“, kommentierte die Nordwest-Zeitung, das Thesenpapier gehöre in den Papierkorb.

Oberkreisdirektor Johannes Höppner (Cuxhaven) meinte, die Bürger des Umlandes ließen ja schon ihr Geld beim Einkaufen in den Oberzentren, eine gerechtere Form des „Lastenausgleiches“ gebe es nicht und den Bedarf, neue komplitzierte Gremien aufzubauen, auch nicht.

Der Osterholzer Oberkreisdirektor Hans-Dieter von Friedrichs findet den Bremer Vorstoß schlicht „unakzeptabel“, der Oberkreisdirektor aus der Wesermarsch, Jürgen Mumdrey, stellt klar: „Die Kosten der Selbständigkeit muss Bremen selber tragen.“

Lemwerders Bürgermeister Hans-Joachim Beckmann wird mit den Worten zitiert, der Vorstoß sei „politisch sehr dumm“. Jürgen Thölke, Delmenhorst Oberbürgermeister und derzeit „Vorsitzender des Kommualverbundes Niedersachsen/Bremen“, lehnt vor allem auch die „fatale Drohung“ mit Maut und Sonder-Gebühren für Nicht-Bremen bei der Nutzung der bremischen Infrastruktur ab. „Von den Nachbarn ist nicht so viel zu holen, dass Bremen sich damit sanieren könnte.“ Gemeindedirektor Rendigs aus Stuhr findet das auch „absurd“, „rechtlich wie faktisch“ nicht machbar und also schlicht „Unsinn“.

„Für den Landkreis Diepholz ist das so nicht akzeptabel“, findet Oberkreisdirektor Hans-Michael Heise. „Das würde den Landkreis zerschneiden“. Sieben niedersächsische Landkreise teilen sich ihre Grenzen mit Bremen. Auch die Kreise Oldenburg und Wesermarsch würden von der „Regionalkonferenz“ gespalten. In der kommenden Woche wollen die Oberkreisdirektoren und Oberbürgermeister eine gemeinsame Position zu dem Bremer Vorstoß formulieren. K.W.