frauentag
: Kuchen und billige Kredite

Clara Zetkin war eine führende Vertreterin der sozialistischen Frauenbewegung. Nach 1920 lebte sie meist in Moskau und war eng befreundet mit Nadeschda Krupskaja, der Frau Lenins. Zetkin war der Überzeugung, dass die Emanzipation der Frau unlösbar mit der Befreiung der Arbeiterklasse verbunden sei. Trotz gegenteiliger Erfahrungen – auch die KPD wurde vorwiegend von Männern beherrscht – blieb sie bei dieser Meinung.

Nach der Wende wurde die Clara-Zetkin-Straße in Berlin-Mitte in Dorotheenstraße umbenannt. Trotzdem ist Clara Zetkin in Ostberlin nicht vergessen. Jedes Jahr anlässlich des Internationalen Frauentages hält die stellvertretende Bürgermeisterin des Plattenbaubezirks Marzahn am 8. März vor dem dortigen Clara-Zetkin-Denkmal eine Rede, die Gleichstellungsbeauftragte liest Texte der Frauenrechtlerin vor, Marzahnerinnen legen mitgebrachte Rosen nieder.

Dieses Beispiel klassisch-pathetischer Heldenverehrung bildet indes die Ausnahme im Berliner Veranstaltungskatalog zum Frauentag. Ansonsten hat sich der 8. März eher zu einer Mischung aus Valentins- und Muttertag etabliert. Die Blumenläden bieten langstielige Fleuropsträuße an, die Apotheken stellen Anti-Stress-Gesichtsmasken ins Fenster. Das Angebot entspricht dem Ideal, das Männer sich von Frauen immer noch am liebsten träumen: die Kreuzung zwischen Geliebter und aufopfernder Kuschelmama, Heiliger und Hure – keine Revolution nirgends.

Das Forum Hotel am Alexanderplatz etwa weiß, dass Frauen entweder Süßkram naschen oder sich den Kopf zerbrechen, was es Schickes anzuziehen gibt. Das Haus lockt die Damen heute zu nachmittäglicher Modenschau und Kaffeklatsch. Serviert wird „Butterkuchen satt“. Der Musiktempel Marzahn hat speziell „zum Frauentag“ ein Konzert des Schlagersängers G. G. Anderson arrangiert. Denn Frauen mögen Schmusimusik. „Sommernacht in Rom“ – ey, da stehn wir doch drauf.

Auch die Kirche setzt auf Altbewährtes. In der Gedächtniskirche findet ein Ökumenischer Frauengottesdienst unter dem Motto „Seid klug wie die Schlangen“ statt. Eine gut gemeinte Losung – ungefähr so originell, wie „Männer, seid stark wie Löwen“ oder „Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut“. Um den Geschlechterfrieden nicht zu gefährden, laden die Veranstalterinnen „Eva’s Arche“ auch Männer ein.

Die PDS-Köpenick schlägt ihrerseits in die mitleidige Muttertagskerbe. Sie enthüllt heute Abend auf dem Marktplatz ein „Denkmal für die unbekannte Hausfrau“. Wann endlich das Standbild der unbekannten Webdesignerin kommt, ist unklar. Immerhin gibt es schon vereinzelt Banken, die Frauen am 8.März günstigere Kreditkonditionen einräumen. Dass Männer dagegen wettbewerbsrechtlich Sturm laufen, ist wohl nur eine Frage der Zeit.

Freilich ist Berlin sowieso nicht Hauptstadt der Bewegung, stellt die Süddeutsche Zeitung fest. Sie hat gezählt, dass nur 402 vom 12.096 Berliner Straßen weibliche Namen tragen. Das sind 3,32 Prozent. Damit steht Berlin an vierter Stelle im bundesdeutschen Vergleich. Bremen ist mit 3,98 Prozent Frauen im Straßenschild die weiblichste Stadt der Republik.

Trotzdem gibt es hier noch lila Kämpferinnen. Der „Allerweltsladen – La Tienda“ im Bezirk Friedrichshain warnt vor argloser Blumenverschenkerei am Frauentag. Denn „jede dritte Schnittblume stammt aus einem Entwicklungsland“, stellen sie fest. Dabei blieben die miserablen Arbeitsbedingungen und 1,80-Mark-Tageslöhne der dortigen Plantagenarbeiterinnen unberücksichtigt. Wer trotzdem Orchideen verteilen mag, kann sich bei „La Tienda“ über fair gehandelte Blumen informieren. KIRSTEN KÜPPERS