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Mängel bei Atombrennstäben

Britische BNFL lieferte bewusst fehlerhafte Brennelemente mit gefälschten Papieren, um Ausschuss zu vermeiden. Bisher glauben die Behörden, nur die Papiere seien mangelhaft gewesen

aus LondonRALF SOTSCHECK

Es war keine Schlamperei, wie das britische Atomanlageninspektorat bisher angenommen hatte, sondern Vorsatz: Die Sicherheitsvorschriften in der nordwestenglischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield wurden unterlaufen, um die Produktion zu erhöhen. Das hat die britische Tageszeitung Independent herausgefunden.

Es geht dabei um die Wiederaufarbeitung der Mischoxid-Brennstäbe (MOX). Jeder Brennstab wird mit tausenden zylindrischer MOX-Pellets gefüllt, deren Durchmesser von einem Lasergerät an drei verschiedenen Punkten gemessen werden muss – oben, unten und in der Mitte. Nach Inbetriebnahme der Anlage stellte sich jedoch heraus, dass viele der 13 Millimeter langen Pellets die Form von „Blumenvasen“ – so beschrieb es der Informant des Independent – hatten, also an einem Ende breiter waren als am anderen. Die Kontrollanlage sortierte diese Körner aus. BNFL umging das Problem, indem es die beiden Messpunkte an den Enden kurzerhand weiter in die Mitte verlegte, nur zwei Millimeter vom mittleren Messpunkt entfernt. Dadurch bestanden auch die „Blumenvasenkörner“ den Test.

Das Atomanlageninspektorat erklärte, es sei über die drei Messpunkte zwar informiert gewesen, doch BNFL habe versichert, dass die Pellets „eine hohe Regelmäßigkeit“ aufwiesen. Die Inspektoren glaubten dem Unternehmen und erklärten, dass man sie über die „Blumenvasenkörner“ nicht informiert habe.

Die Gutgläubigkeit des Inspektorats ist erstaunlich, hatte es BNFL im Februar doch „schwere Managementfehler“ und Dokumentenfälschung vorgeworfen. In der Atomanlage wurden die Daten über die manuellen Stichproben bei den MOX-Pellets gefälscht, so hatten die Inspektoren festgestellt. In ihrem Untersuchungsbericht war jedoch ausdrücklich vermerkt, dass dadurch keine Gefahr für die Sicherheit der Anlage bestanden hätte, da alle MOX-Körner ja eine automatische Laserkontrolle durchlaufen hätten. „Man kann davon ausgehen, dass eine hundertprozentige Durchmesserkontrolle alleine ausreicht, um sicherzustellen, dass alle Körner den Vorgaben entsprechen“, hieß es. Das klappt natürlich nur, wenn die automatische Kontrolle wirklich kontrolliert – und nicht durch eine Verschiebung der Messpunkte geschönt wird.

BNFL verweigerte gestern jede Auskunft. Der Industrie-Ausschuss des Unterhauses hat eine neue Untersuchung eingeleitet und will den Chefinspektor für Atomanlagen, Laurence Williams, zu dem Fall befragen.

Der Skandal könnte noch weiteren Managern den Kopf kosten. Vergangene Woche war bereits der BNFL-Geschäftsführer John Taylor zurückgetreten, als noch alle dachten, es ginge hier nur um „systematische Managementfehler“. Immerhin verlassen bereits seit 1996 Brennelemente mit gefälschten Papieren Sellafield, die meisten nach Japan. Bei einer Eingangskontrolle stellten die Japaner fest, dass mit den Papieren etwas nicht stimmen konnte, und stoppten im Januar die Importe. Auch deutsche Behörden wurden nun aktiv und stellten fest, dass auch ans AKW Unterweser Lieferungen mit gefälschten Papieren gingen.

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