Trittin auf grüner Distanz

Der Umweltminister verweigert seine Unterschrift unter den offenen Brief des Grünen-Vorstands. Offenbar will Trittin aus der Schusslinie sein, falls es beim Parteitag zum großen Krach kommt

aus Berlin LUKAS WALLRAFF

Die Mitarbeiter der Grünen-Bundeszentrale werden am heutigen Aschermittwoch keinen Kater haben. Sie kamen erst gar nicht zum Feiern. Ausgerechnet am Fastnachtsdienstag mussten sie Sonderschichten einlegen.

Die Delegierten des Grünen-Parteitags, der am 17. März beginnt, sollen endlich den „offenen Brief“ der Parteispitze bekommen, der seit Tagen kursiert und der für großen Ärger gesorgt hat. Darin wirbt der Bundesvorstand für die Unterstützung seines Kurses beim Atomausstieg und bei einer zentralen Frage, die die Partei zu spalten droht: die Aufhebung der strikten Trennung von Parteiämtern und Parlamentsmandaten. Die meisten Spitzenpolitiker haben ihn mittlerweile unterschrieben – auch die Fraktionschefin im Bundestag, Kerstin Müller.

Müller, die dem linken Flügel der Partei zugerechnet wird, hatte durchgesetzt, dass die Forderungen zum Atomausstieg drastischer formuliert werden: „Die Bundesdelegiertenkonferenz wird klarmachen müssen, dass wir ein weiteres Zeitschinden in dieser Frage von zentraler Bedeutung nicht akzeptieren“, heißt es jetzt in der endgültigen Fassung des Briefes. Ursprünglich hatte der Bundesvorstand lediglich angekündigt, dass auf dem Parteitag „über den dann aktuellen Stand des Atomausstieges eingehend berichtet“ werde.

Ein prominenter Name fehlt jedoch weiterhin auf der Liste der Unterzeichner: der von Jürgen Trittin. Der Bundesumweltminister war mit weiten Passagen des Briefes nicht einverstanden und hatte ausführliche Änderungswünsche formuliert.

Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer soll die Vorschläge Trittins als „Faschingsscherz“ bezeichnet haben. Gegenüber der taz sprach er gestern zwar von einem „interessanten Diskussionsbeitrag“ – aber berücksichtigt wurden Trittins Wünsche nicht.

Also verweigerte Trittin auch gestern sein Autogramm unter den Brief. „Ich halte es für verwegen zu glauben, die Delegierten würden sich mit einem einfachen Bericht und anschließender Vertagung zufrieden geben“, schrieb er in einer Fußnote zu seinen Änderungsvorschlägen, die der taz vorliegen. Trittin geht es auch darum, die Strukturreform „im Lichte der CDU-Spendenaffäre“ noch einmal zu überdenken.

Gut möglich, dass sich Trittin absichern will, falls es auf dem Parteitag zum großen Krach und offenen Aufstand der Basis kommt. Indem er sich nicht mit dem Brief des Vorstandes identifiziert, könnte er sich aus der Schusslinie bringen und gegebenenfalls wieder die von ihm gern gespielte Rolle des Volkstribunen übernehmen.

Denn in der Partei wird der Widerstand gegen die vorgesehene Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat immer größer. Im Gespräch ist nun ein Kompromiss. Fraktionschefin Müller und Vorstandssprecherin Antje Radcke plädierten dafür, die Trennung zu lockern, aber nach wie vor Bundesminister und Bundesfraktionsvorsitzende auszunehmen.

Über hundert Parteilinken geht das nicht weit genug. Angeführt von den Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele und Christian Simmert, haben sie eigenes Positionspapier verfasst. Darin fordern sie: „§ 14 der Satzung (Trennung von Amt und Mandat) bleibt unverändert.“

Dieses Gegenpapier zu dem Brief der Parteiführung schickten die Linken gestern an den Bundesvorstand – mit der Bitte, es an die Delegierten weiterzuleiten. Dieser Bitte wurde entsprochen, „weil wir so ein großes Herz haben“, wie Geschäftsführer Reinhard Bütikofer gestern sagte. In letzter Minute mussten die Umschläge, die schon zugeklebt und absendefertig waren, noch einmal aufgerissen werden. Zusätzlich zu dem Brief des Vorstandes bekommen die Delegierten jetzt einen Gegenbrief. So viel Demokratie muss sein. Und so viel Zeit muss sein – auch am Fastnachtsdienstag.